Full text: Handbuch für den Geschichtsunterricht in preußischen Volksschulen

422 Zehnter Abschnitt. Die wichtigsten Ereignisse rc. von 1815—1871. 
Kaiserkrone wolle (Sott beriethen, allzeit Mehrer des deutschen Reiches 511 
fein, nicht in kriegerischen Eroberungen, sondern in den Werken des Friedens 
auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung." — 
Nach Verlesung dieser Proklamation trat der Großherzog pan Baden 
vor und rief, den richtigen Augenblick erfassend: „Seine-Majestät, der Kaiser 
Wilhelm lebe hoch!" Unter den Klängen der Militärmusik, welche die Melodie 
des Liedes: „Heil dir im Siegerkranz", anstimmte, brachte die.Versammlung 
dreimal ein begeistertes Hoch aus. Die Hände reckten sich zum Gruß und 
Schwur, die Helme wurden geschwungen, die Blicke leuchteten, und donnernd 
rollte ber Ruf an den Spiegel- und Marmorwänden hin und hallte von 
der gewölbten Decke nieber. Aus des Kaisers Augen stürzten Thränen. 
Er drückte dem Großherzoge die Hand, der Kronprinz neigte sich tief und 
schien die Hand des Vaters küssen zu wollen. Der Bruder, die Vettern und 
Fürsten umgaben den Kaiser beglückwünschend und händeschüttelnd. Die 
Musikeorps hatten sich inzwischen in dem an die Galerie östlich anschließenden 
„Friedenssaal" ausgestellt und begrüßten den Kaiser, als er, von den Prinzen, 
Fürsten unb Generälen begleitet, den Festsaal verließ, mit bem Hohenfried¬ 
berger Marsch. Die Offiziere, deren Zahl gegen 600 betrug, folgten dem 
Kaiser. D^ieFMnLU -wtrrbeu von den begleitenden Mannschaften in Empfang 
genommen, um den zugehörenden Regimentern wieder überbracht zu werden. — 
Am 21. März 1871 eröffnete der Kaiser den ersten deutschen Reichstag 
in Berlin. Derselbe nahm die Verfassung des deutschen Reiches, wie sie ihm 
von dem Kaiser nach den Verhandlungen mit den Fürsten des deutschen 
Reiches vorgelegt wurde, im wesentlichen unverändert an. Am 4. Mai er¬ 
hielt die neue Reichsverfassung Gesetzeskraft. 
d) Der Friede. 
Wir haben schon gehört, wie bald nach dem Kaisertage in Versailles 
der Waffenstillstanb abgeschlossen würbe. Die Zeit der Waffenruhe sollte zu 
Verhandlungen über den Frieden benutzt werden. Eine Versammlung von 
Vertretern des französischen Volkes, die aus dem ganzen Lande gewählt 
wurden, kam in Bordeaux zusammen. Diese Nationalversammlung sollte sich 
entscheiden, ob das französische Volk den Krieg fortsetzen, oder den Frieden 
wählen wollte. Sie war in ihrer weit überwiegenden Mehrzahl für den 
Frieden und zeigte sich geneigt, auf alle von Preußen geforderten Bedingungen 
einzugehen. Thiers, der am 16. Februar unter Bestätigung der Absetzung 
Napoleon's zum Haupt der Staatsregierung gewählt wurde, förderte das 
Friedenswerk nach Kräften. Die Verhandlungen in Versailles führten am 
26. Februar zu einem Schluß, der ant 1. März von der Nationalversammlung 
zu Bordeaux angenommen wurde. Die Hauptbedingungen des Friedens 
waren folgende: 
1. Frankreich tritt an Deutschland Elsaß und den deutsch redenden Teil 
von Lothringen samt der Festung Metz und dem Streifen jenseits der Mosel 
ab, aus welchem die Schlachtfelder vom 16. und 18. August liegen. 
(Auch Thionville wurde deutsch; dagegen sollte Belfort französisch bleiben. Das 
zu Deutschland kommende neue Gebiet betrug 260 Quadratmeilen mit 11;2 Millionen Ein¬ 
wohnern. Es war weniger wegen seines Umfanges, als wegen seiner Wichtigkeit für die 
Befestigung der deutschen Westgrenze gegen Frankreich für Deutschland von Bedeutung.)
	        
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