Full text: Erziehender Geschichtsunterricht

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gann zu singen, dann hörten sie am liebsten die Gesänge von Hermann 
dem Befreier. Und als dann nach beinah zweitausend Jahren die Deutschen 
endlich nach Einigkeit sich sehnten und wieder das Joch eines Bedrückers 
abgeworfen hatten, des Kaisers Napoleons L, und konnten doch den alten 
Drachen der Zwietracht nicht unterkriegen, da haben die Deutschen gedacht, 
fie könnten sich untereinander stärken und verbinden, wenn sie mehr an- 
fingen an Hermann zu denken, und haben angefangen mitten im Teuto- 
burger Wald auf hohem Berge ihm ein Denkmal zu errichten. Zustande 
gekommen ist es freilich erst, als Siegfried den Drachen erschlagen hatte 
und Bismarck das Deutsche Reich gegründet. Da hat der erste deutsche 
Hoheuzollernkaiser im Jahre 1876 sein Denkmal geweiht, und nun steht 
Hermann auf jenem Berge auf einer offenen Turmhalle in Riesengestalt 
und reckt sein Schwert hoch gen Himmel zum Zeichen, daß wir trotz aller 
Unvernunft ein starkes Volk von Kriegern gewesen sind und bleiben, und 
daß es das Schwert ist, durch das Deutschland einig und frei ward. 
3. Die Völkerwanderung. So haben nun die Deutschen lange 
Jahre die Römer zwischen und über sich wohnen gehabt, [vor allem an 
dem größten deutschen Strom, von dem die Chronik noch tausend Jahre 
später schrieb: „Er fließt mitten durch Deutschland," am Rhein. Sie 
haben viel von den Römern gelernt in Handel und Kunst, Brückenbau 
und Schiffahrt, und allenthalben in der Rheinprovinz gräbt man noch 
jetzt alte römische Geräte und Waffen und andere Spuren ihres Lebens 
aus der Erde. In Trier haben sogar die römischen Kaiser eine Zeitlang 
gewohnt, noch jetzt steht dort das herrliche Römertor, die Porta nigra 
und die Trümmer des Kaiserpalastes und der herrlichen Badehallen, in 
denen dort die Römer Gesundheit und Vergnügen gesucht haben. Auch 
das Christentum ist in diese westlichen Teile von Deutschland gedrungen. 
Aber je weiter es nach Osten ging, desto mehr hörte alle Römerherrschaft 
auf, und mitten durch Deutschland, von Rügen über die Gegenden, wo 
jetzt Berlin, Dresden und Wien liegen, bis an die Alpen heran war ein 
Landstreifen ganz menschenleer, da trennten sich die Westgermanen von 
den Ostgermanen. Bis dann auf einmal aus den Grassteppen Asiens 
ein wildes Reitervolk hervorbrach, die Hunnen, das sich auf die Ost- 
germanen stürzte und sie vorwärts drängte nach Süden und Osten. Die 
ganzen deutschen Völker fingen an, sich durcheinanderzuschieben, und so 
klopften sie auch wieder an die Tore des römischen Reiches und haben 
sie endlich aufgebrochen und das Reich überschwemmt, bis sie zuletzt wirk- 
lich über die Alpen kamen und vor die Mauern der alten Hauptstadt 
der Welt, die Mauern von Rom. Das war das edle Volk der West»
	        
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