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nahm man die gemachten Vorschläge an, durch Murren und Geschrei
verwarf man sie. In Streitigkeit entschied oft das Gottesurteil eines
Zweikampfes oder der Feuer- und Wasserprobe.
Die Religion war Naturvergötterung, Wodan oder Odin
der Vater des Lebens, der Herrscher über Himmel und Erde, der Erfin¬
der aller Künste und Wissenschaften und der Lenker der menschlichen
Geschicke, insonderheit der Schlachten. Die Gefallenen wurden von den
Walküren oder Schlachtenjungfrauen zu den Freuden Walhallas ge¬
tragen ; die Feiglinge und Bösewichte stiegen zu der grausen Totengöttin
Hellia in das kalte Niflheim. Die 12 Asen mit Wodan an der Spitze
leiteten die Weltregierung. Wodans Gattin Frigga war die Göttin
der Ehe und häuslichen Ordnung. Als Erdenmutter Hertha wurde ihr
auf Rügen geheimnisvoller Dienst geweiht. Ihr Sohn war Thor, der
Donnerer, der liebreizendste der Asen der Sonnengott Balder, Braga
der Gott des Gesanges und der Rede, Saga die Göttin der geschicht¬
lichen Erzählung, Loki der böse, trugvolle Gott des Feuers. Riesen
und Zwerge, Licht- und Schwarzelfen bevölkerten die Phantasie der Ger-
manen. Ihre Götterlehre ist in der Edda zu finden. Asgard war
der himmlische Wohnsitz der Asen, der mit der Erde durch die Brücke
Bifröst (Regenbogen) verbunden war. Zwölf Götterburgen von uu-
beschreiblicher Pracht waren dort. Auf dem Jdafelde wurden die
himmlischen Gastmähler und die Kämpfe mit den Helden aus dem Gold-
palaste Walhalla, unter der „Weltesche" das Gericht über Götter und
Menschen gehalten. Zwei Raben (Gedanke und Gedächtnis) umflogen
das Erdenrund und brachten Odin Kunde von allem. Seit die Sünde
(Goldgier und Lust) Eingang in Asgard gefunden, ist ein furchtbarer
Kampf zwischen den Göttern und Riesen entbrannt. Er wird mit dem
großen Weltbrande enden. Aus der Feuerwelt Muspelsheim werden
die Flammen nach Asgard schlagen und die „Weltesche" verbrennen.
Der grimme F e n r i r w o l f wird Odin verschlingen, Thor die grause
Midgardsschlange erlegen, aber an ihrem Gifte sterben, die Erde
ins Meer versinken und alles Geschaffene untergehen. Dann aber wird
eine neue Welt erscheinen, und Götter wie Menschen werden veredelt
und verschönt wiedergeboren werden. — Götzenbilder und Tempel
hatten die Deutschen nicht. In heiligen Hainen wurden auf großen
Steinen Opfer aus Früchten, Tieren und gefangenen Feinden darge-
bracht. Den Götterwillen suchte man u. a. aus dem Fluge der Vögel
und dem Wiehern geheiligter Rosse zu erfahren. Die Deutschen glaubten
an die Unsterblichkeit der Seele, verbrannten die Leichen und begruben
die Asche in thönernen Urnen unter großen Grabhügeln. Noch heute
findet man in diesen Hünengräbern Waffen, Schmuck 2c. Die Prie¬
ster und Sänger der Kriegsthaten ehrte man, räumte ihnen aber keine
Macht zum Herrschen ein.
2 Kämpfe mit den Römern. Die Cimbem und Teutonen