Die Cimbern und Teutonen. 1
Weqe wäre. Er stellte sich also, als wollte er Freundschaft mit ihnen hatten
und ihnen selbst den Weg durch die Gebirge zeigen; als er sie aber an dem
rechten Flecke zu haben glaubte, fiel er plötzlich mit seinem Heere über fte her;
es war bei Noreja, in dem heutigen Kärnthen. Er kannte aber ferne Gegner
nicht. Sie ließen sich nicht aus der Fassung bringen; mit ihren Spießen ver¬
standen sie eben sowohl in der Nähe zu fechten, als sie sie auf weiter Ebene zu
schleudern wußten; was die Römer durch ihre eisernen Harnische und großen
Schilde voraus hatten, ersetzten sie durch ihre außerordentliche Stärke und ihre
Größe, vermöge welcher ihre Schläge schwer von oben herabfielen; und so geschah
es, daß der Feldherr Carbo mit Schimpf und Schande geschlagen wurde und
kaum noch mit wenigen, unter dem Schutze eines schweren Gewitters, welches den
Kampf unterbrach, entkam.
Die Cimbertt zogen nun weiter, zwischen der Donau und den Gebirgen
von Oestreich und Tyrol, durch Baiern und Schwaben nach der Schweiz und
dem südlichen Frankreich. Unterwegs schloffen sich einige kriegslustige Völkerschaf¬
ten an sie: die Ambro neu und dieTiguriner (aus dem jetzigen Zürcherlande).
Wie sie schon früher um Anweisung von Land gebeten hatten, so schickten sie
auch jetzt eine Gesandtschaft nach Rom und verlangten Wohnsitze, wogegen sie
ihren Beistand in jedem Kriege anboten; allein die Römer wollten von solchem
Vertrage nichts wissen, sondern glaubten den erlittenen Schimpf durch andere
Heere, unter besseren Feldherren, auszuwetzen. Aber es ging ihnen noch vier¬
mal nach einander eben so, als in der ersten Schlacht, ja die letzte an dem
Rhone - Flusse im Jahr 105 vor Chr. Geb. war so schrecklich, daß ihnen
80,000 Krieger und 40,000 Troßknechte von den Deutschen erschlagen wurden.
Diese Niederlage verbreitete Schrecken durch ganz Italien; die Römer
glaubten die fürchterlichen Feind« schon vor den Thoren Roms zu sehen und
wußten noch lange Zeit nachher einen recht entsetzlichen Schrecken nicht kräftiger
zu benennen, als wenn sie ihn einen cimbrischen Schrecken nannten. Niemand
hatte Lust, sich an die Spitze eines Heeres zu stellen, und die Cimbern hätten
in diesem ersten Augenblicke der Bestürzung vielleicht ganz Italien erobern können;
sie zogen aber nicht über die Alpen, sondern über die Pyrenäen nach Spanien.
Als sie da ernstlichen Widerstand fanden, kehrten sie um und durchzogen Frank¬
reich von Süden nach Norden. An der Seine erhielten sie bedeutenden Zuzug:
hier stießen die Teutonen zu ihnen; aber auch die vereinigten Schaaren konn¬
ten die Böller bes nördlichen Frankreich nicht bezwingen.
Wodurch diese rohen Kriege fc« sehr geübten und gewiß nicht feigen Römer
so gänzlich besiegt hatten, das war, außer der grvßcu tuWegenheit ihrer Stärke,
auch ihre einfach kräftige Art der Kriegsführung. Die feinere S^Wgsfunft
der Römer, die schon nach unserer Weife eine genaue Eintheilung in größere
und kleinere Haufen, geschlossene Reihen, und schnelle übereinstimmende Wen¬
dungen gebrauchten, kannten sie nicht; sondern die Kunst ihrer Eintheilung
bestand darin, daß Verwandte, Freunde und Nachbarn zusammen standen und
zusammen, einer für des andern Ehre, Freiheit und Leben, kämpften. Hinter den
Schlachtreihen hielten die Weiber und Kinder auf zahllosen Wagen und ermunterten
die Streiter durch Lob und Tadel und durch ihr Flehen, sie nicht in die feindliche
Knechtschaft fallen zu lassen, zu der höchsten Tapferkeit. Außerdem feuerten
sie sich durch einen lauten, furchtbar tönenden Schlachtgesang an, dessen Schall
sie oft noch dadurch verstärkten, daß sie die hohlen Schilde vor den Mund hiel-