Full text: Kurze Darstellung der deutschen Geschichte

Die Religionsangelegenheiten in Deutschland. 119 
möchte, genügte er sehr bald; er wurde schon im Oktober desselben Jahres 1520 
zu Aachen gekrönt und schrieb seinen ersten Reichstag auf den Dreikönigstag des 
nächsten Jahres nach Worms aus. 
58. Die Religionsangelegenheiten in Deutschland. 
1. Der Reichstag zu Worms. 1521. — Die Hauptverhandlung auf 
diesem Reichstage war das Verhör Luthers. Der päpstliche Legat, Kardinal 
Aleander, der auf demselben gegenwärtig war, stellte den versammelten Reichs¬ 
ständen die Gefahr der Kirche vor, wenn die Ketzerei nicht schnell und kräftig 
ausgerottet würde, und verlangte ein strenges Gericht über Luther. Dieser hatte 
aber auch schon Freunde unter den Fürsten; besonders nahm sein Landesherr, 
Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, sich seiner an und verlangte, 
daß Luther doch erst selbst gehört werden müßte, ehe man ihn verurtheilte. Der 
Kaiser stimmte ein und versprach ihm ein sicheres Geleit. Luther vertraute auf 
das kaiserliche Wort und erschien; und Karl hat es besser gehalten, als einst 
Kaiser Sigismund gegen Huß. — Als Luther vor Kaiser und Fürsten in der 
großen Versammlung dastand, wurden ihm seine bis dahin erschienenen Schriften 
vorgelegt und er befragt, ob er sie als die {einigen erkenne. Er bejahte es. 
.Auf die Frage, ob er auf den darin ausgesprochenen Grundsätzen beharre, bat 
er sich Bedenkzeit bis auf den folgenden Tag aus. An diesem erschien er wieder 
und als eine kurze Antwort von ihm verlangt wurde, erklärte er: „So will ich 
denn eine geben, die weder Hörner noch Zähne haben soll, nemlich also: Es 
fei denn, daß ich durch Zeugniß der heil. Schrift oder mit klaren und hellen 
Gründen überwunden werde, so bin ich gefangen in meinem Gewissen in Gottes 
Wort, und mag und kann darum nicht widerrufen, weil es weder sicher noch 
gerathen ist etwas gegen das Gewisien zu thun. Hier stehe ich, ich kann nicht 
anders, Gott helfe mir. Amen." — Alle Versuche, ihn auf andere Gesinnungen 
zu bringen, waren vergebens; er blieb bei dem Ausspruche: „Ist dieses Werk 
ein Menschenwerk, so wird es aus sich zergehen, ist es aber von Gott, so wer¬ 
det ihr es nicht zerstören können." 
Der Kaiser dagegen erklärte seinerseits den versammelten Fürsten mit 
gleichem Ernste: „Er sei entschlossen, alle seine Reiche, Länder, Freunde, Leib 
und Blut, und das Leben selbst, dahin zu verwenden, daß dieses gottlose Unter¬ 
nehmen keinen weitern Fortgang habe, indem es sonst ihm und der deutschen 
Nation zur ewigen Schande gereichen werde. Seine Vorfahren seien sämmtlich, 
bis auf den letzten Augenblick, der römischen Kirche treu geblieben; sie hätten 
ihm die katholische Lehre und Kirchenverfassung gleichsam erblich überlasten, nach 
welcher er bis dahin gelebt habe und auch zu sterben gedenke. Er wolle daher 
Lutheru keineswegs mehr hören, sondern wieder entlassen, wie er versprochen, und 
sodann gegen ihn als Ketzer verfahren." 
Nach dieser Erklärung entließ er ihn wirklich mit sicherm Geleit auf 21 
Tage, und Luther reiste nach Sachsen zurück. Der Kurfürst sah nun wohl, daß 
die schärfste Reichsacht gegen Luther erfolgen werde, und beschloß, ihn auf einige 
Zeit den Augen seiner Feinde zu entziehen. Er gab daher Befehl, daß einige 
seiner Reiter ihm auf der Rückreise vermummt bei Eisenach auflauern, ihn wie 
mit Gewalt fortführen, und bei Nacht, auf verborgenen Wegen, auf daß Schloß 
Wartburg bringen sollten. Der Anschlag wurde ausgeführt.
	        
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