Die Türkenkriege unter Leopold I. 155
sich auch denken, wie drückend es für ihn sein mußte als Herzog von Preußen
die Lehnshoheit Polens anerkennen zu müssen. Als daher in den Jahren
K355—60 der schwedisch- polnische Krieg geführt wurde, nahm auch er daran
Theil, schlug im Verein mit den Schweden in der Ztägigen Warschauer Schlacht
1656 die Polen und erreichte endlich im Frieden zu Oliva 1660 den souve¬
ränen Besitz des Herzogthums Preußen. So war der Kurfürst von Branden¬
burg, der als solcher deutscher Reichsfürst war, und in einer, wenn auch noch
so losen, Unterordnung unter dem Kaiser stand, zugleich Besitzer eines Landes,
das außerhalb des Reichsverbandes stand, und gehörte somit zu den europäischen
Souveränen, ein Umstand von ziemlicher Wichtigkeit für den weiteren Verlauf
der preußischen Geschichte.
Im Reiche war auf Kaiser Ferdinand III, der nach dem westfälischen Frieden
noch 9 Jahre regiert hatte, 1658 Leopold I. gefolgt. In seine lange Re¬
gierung fallen verschiedene Kriege gegen die Türken und die Franzosen, die er¬
steren ruhmreich und zum Vortheil Oestreichs, die anderen zwar nicht immer un¬
rühmlich, aber stets auf Kosten der westlichen Gebiete Deutschlands geführt.
Schon in der Zeit der Reformation waren die Türken eine Gefahr für
das Reich. Nachdem sie 1453 Constantinopel erobert und in dem ehemaligen
oströmischen Reiche sich festgesetzt hatten, überschwemmten sie Siebenbürgen und Un¬
garn, und machten diese Länder dem habsburgischen Kaiserhause streitig, ja 1529
kamen sie bis vor Wien und belagerten die Stadt. Glückliche Kämpfe gegen die
Türken beginnen erst wieder unter Leopolds Regierung. Der erste Türkenkrieg
fällt in die Jahre 1661—1664. Ein Reichsheer zog dem Kaiser zu Hilfe;
desgleichen Truppen fast aller christlicher Fürsten. Am 1. Aug. 1664 schlug
Montecncnli die Türken bei St. Gotthard an der Raab. Die Frucht
dieses Sieges war ein Friede oder vielmehr Waffenstillstand auf 20 Jahre, der
Ungarn in den Besitz des Kaisers brachte, aber Siebenbürgen in den Händen
der Türken ließ. Jene 20 Jahre waren kaum verflossen, als ein zweiter Türken¬
krieg 1683 ausbrach.
In Folge der Bedrückung der ungarischen Protestanten und der Angriffe
auf die ständischen Rechte seitens der kaiserlichen Regierung waren in Ungarn
selbst Unruhen hervorgerufen worden. In diese mischten sich die Türken. Da
die aufständischen Ungarn mit ihnen einverstanden waren, so konnten sie rasch vor¬
dringen, und so standen im Juli 1683 200000 Türken unter dem Großvezier
Kara Mnstapha vor Wien, ehe sich das östreichische und deutsche Heer zur Ge¬
genwehr hatte sammeln können. Sie beschossen die große, nur in der Eile be¬
festigte Stadt auf das furchtbarste, sprengten die Wälle durch angelegte Minen
und waren ganz nahe daran mit Sturm einzudringen, obwohl sich die Besatzung
unter dem Grasen Rüdiger von Stahremberg mit Heldenmuth vertheidigte.
Als die Noth am größten war, erschien endlich am Abend des 11. Sept. das
Befreiungsheer auf den Höhen des Kahlenberges und gab seine Ankunft durch ein
paar Kanonenschüsse zu erkennen. Es bestand aus 46,000 Mann kaiserlicher,
deutscher und vorzüglich polnischer Hülfstruppen, die der tapfere König Johann
Sobieski selbst befehligte. Am nächsten Morgen kam das Heer in die Ebene
herab. Sobieski fiel mit seinen leichten Reitern wie ein Sturmwind über die
türkischen Reiter her und trieb sie in die Flucht; die Hauptschlacht sollte am
nächsten Tage geschehen; aber die Türken hatte solcher Schrecken ergriffen, daß
sie in der größten Verwirrung ihr Lager verließen und sich auf die Flucht be-