Full text: Kurze Darstellung der deutschen Geschichte

Uebergang über bett Rhein. Schlacht bei Brienne. 1814. *05 
Napoleon dachte nicht mehr daran, irgendwo in Deutschland Halt zu ma¬ 
chen, sondern nur, die Trümmer seines Heeres zu retten; und auch dieses wurde 
ihm durch den baierischen General Wrede schwer gemacht, der sich mit seinen 
Baiern (denn auch Settern hatte sich kurz vor der Leipziger Schlacht von Napo¬ 
leon abgewandt und den Verbündeten angeschlossen) und einem östreichischen Heer- 
hausen bei Hanau ihm in den Weg stellte, und obgleich er nicht stark genug 
war, ihn aufzuhalten, ihm doch noch einen empfindlichen Verlust beibrachte. Am 
2. November ging Napoleon über den Rhein nach Mainz und hat die Ufer 
dieses deutschen Stromes, den er so oft zu unserm Verderben überschritten hatte, 
nie wieder gesehen. 
Die übrigen Wochen dieses Jahres wendeten die Verbündeten dazu an, 
die Ufer des Rheines, von der Schweiz bis ans Meer, und besonders Holland 
zu besetzen, was für Napoleon ein unersetzlicher Verlust war. Die preußische 
Heerschaar unter Bülow, die schon so viel Großes in diesem Kriege vollbracht 
hatte, war es, welche mit unwiderstehlicher Schnelligkeit und Tapferkeit Holland 
itt wenigen Wochen frei machte. 
[101. Das Jahr 1814.tzDer KrieMin Frankreich.? 
Die großmüthigen Herrscher boten dem französischen Kaiser noch einmal 
den Frieden an; aber er wollte immer noch von keiner Mäßigung wissen, wollte 
weder Italien noch Deutschland frei lassen, und so mußte der Krieg nun über 
den Rhein nach Frankreich selbst versetzt werden. Durch große Zurüstungen 
waren die russischen Heere auf 200,000 Mann, die östreichischen auf 230,000, 
die preußischen auf 160,000 gebracht und das übrige deutsche Reich rüstete so 
emsig, daß bald noch 150,000 Deutsche im Felde erscheinen konnten. Außerdem 
stand der Marschall Wellington schon mit 80,000 Engländern, Spaniern und 
Portugiesen diesseits der Pyrenäen auf französischem Boden. 
Am 1. Januar ging der tapfere Blücher, feit der Leipziger Schlacht 
Feldmarschall, bei Caub über den Rhein; daß große Heer bald nachher an an¬ 
dern Stellen; auf verschiedenen Wegen zogen die Hunderttausende fremder Krieger 
rasch vorwärts, und am Ende des Monats standen sie schon an den Ufern der 
Seine und Aube 25 Meilen von Paris. 
Die Schlacht bei Brienne, 1, Febr. — Da erschien endlich Napo¬ 
leon im Felde mit einem zwar nicht großen, aber guten und ihm noch mutter 
treu anhängenden Heere. Er griff den Feldmarschall Blücher unerwartet bei 
dem Städtchen Brienne att, einem Orte, wo ehemals eine Kriegsschule gewe¬ 
sen war, in welcher Napoleon selbst seine furchtbare Kunst erlernt hatte. Der 
alte Feldherr ließ sich indeß nicht aus der Fassung bringen, zog sich näher an 
das große Schwarzenbergische Heer, erhielt von diesem Verstärkung, besonders 
durch die tapferen Baiern und Würtemberger, und lieferte nun ant 1. Febr. 
die erste Schlacht auf französischen Boden. Sie war nicht leicht und nicht un¬ 
blutig; Napoleon strengte alle feine Kunst an, sie zu gewinnen, damit sein Heer 
und ganz Frankreich neuen Muth schöpfte. Allein es gelang ihm doch nicht. 
Auf allen Seiten mußte er zuletzt weichen, und noch beim Einbruch der Nacht 
erstürmte der kühne Greis Blücher, an der Spitze der Russen, das Dorf La 
Rothiere, die letzte Stütze von Napoleons Schlachtordnung. Er zog nun auf 
der Pariser Straße rückwärts.
	        
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