Full text: Kurze Darstellung der deutschen Geschichte

Armin und Germaniens. SS- 
an die Stelle kamen, wo Varus die große Niederlage erlitten hatte. Das Schlacht¬ 
feld war für sie ein höchst trauriger Anblick. Die Gebeine der Römer lagen; 
noch, unter zerbrochenen Waffen und Lanzensplittern, zerstreut umher; denn die 
Deutschen hatten ihnen die Ehre einer Grabstätte nicht gegönnt. Man konnte 
sehen, wo ein Haufe zusammengedrängt gekämpft hatte und niedergemacht war; 
an andern Stellen, wo die Gebeine zerstreut lagen, sah man, wo die einzelnen 
im Fliehen gefallen waren. Einige Soldaten, welche mit in der Schlacht gewesen 
waren, (es war nur 6 Jahre her) erkannten noch die Plätze, wo Varus sich 
selbst in sein Schwert gestürzt hatte, wo andre Anführer gefallen, wo die rö¬ 
mischen Adler, (die Feldzeichen,) von den Deutschen erobert waren. Traurig be¬ 
statteten die Römer die Ueberbleibsel des unglücklichen Heeres und errichteten zum 
Andenken einen großen Grabhügel; dann brachen sie erbittert auf, die gefallenen 
Brüder zu rächen. Ihr Zorn kühlte sich aber bald in den Sümpfen ab, in 
welche sie Armin zu locken wußte; ja er hätte beinahe die ganze römische Reiterei 
aufgerieben, wenn nicht noch eben zur rechten Zeit die geordneten Legionen des 
Fußvolks zu Hülfe gekommen wären. Das Treffen blieb unentschieden, wie die 
Römer erzählen; das heißt aber nichts weiter, als daß sie noch ohne sehr großen 
Schaden davon kamen; denn sie suchten gleich daraus den Rückweg, Germaniens 
auf der Ems, sein Unterfeldherr Cäcina aber mit einem Theil des Heeres durch 
das Land auf dem Wege, der die langen Brücken hieß. Cäcina wurde von den 
Deutschen heftig verfolgt und es wäre ihm beinahe nicht besser ergangen, als dem 
Varus. Denn schon hatten ihn die Deutschen in seinem Lager, welches er in 
der Noth aufgeworfen, eng umschlossen und konnten ihn aushungern, wie Armin 
weislich rieth. Aber der Ungestüm der übrigen ließ das nicht zu; sie wollten 
mit einem Schlage Alles gewinnen unb stürmten das Lager. Aber sie kannten 
die Festigkeit eines römischen Lagers nicht so gut, als Armin; vergeblich rannten- 
sie gegen bte Gräben unb festen Wälle an, unb als sie sich mübe gestürmt, brach 
Cäcina mit seinen georbneten Hausen aus ben Thoren bes Lagers hervor und 
trieb sie in die Flucht. So machte er sich Luft und konnte den Weg nach dem 
Rheine fortsetzen; doch hatte er großen Verlust erlitten. Dies geschah im I. 
15 n. Chr. 
Im folgenden Jahre kam Germaniens mit einem noch stärkeren Heere wieder, 
und da endlich gelang es ihm, an der Weser, bei Jdistavisus (nahe bei der 
Gegend, wo jetzt Prenßisch-Minden liegt) einen Sieg über die Cherusker zu ge¬ 
winnen. Die Schlacht war entsetzlich blutig und Armin selbst wurde verwundet. 
Sein Volk faßte schon den Gedanken, die Weser zu verlassen und sich an die 
Elbe zurückzuziehen; aber plötzlich besannen sie sich wieder, als sie sahen, wie 
die Römer mit großer Prahlerei Siegeszeichen aufrichteten und über ihre Besiegung 
spotteten. Daß ihr bisher freier Boden der Feinde Siegeszeichen tragen sollte, 
schien ihnen die ärgste Schande. Alles griff noch einmal zu den Waffen, die 
Greife mit den Männern und selbst die Kinder; noch eine blutige Schlacht wurde 
gewagt; und obgleich die Römer von einem zweiten Siege sprachen, so strafte doch 
ihre eigne That ihr Wort Lügen, denn sie zogen sich gleich hernach aus Deutsch¬ 
land zurück. 
Germaniens hatte auf diesem Rückzüge das Unglück, daß die Flotte, auf 
welcher er mit seinem Heeres theile ans der Ems in die Nordsee gefahren war, 
von Stürmen ergriffen und mit dem größten Theile des Heeres zertrümmert 
wurde. Die Lust zu den deutschen Kriegen verging ihm; auch wurde er vom
	        
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