30 I. Zeitr. Von 113 vor Chr. Geb. bis 768 nach Chr. Geb.
Jahren hatten die Römer feinen Feind in ihren Mauern gesehen, und länger
als 400 Jahre hatte diese Stadt nun die Herrschaft fast der ganzen Welt in
Händen gehabt. Der alte Stolz wollte sich noch einmal regen; sie forderten
Aland) auf, augenblicklich von ihren Mauern abzuziehen, wenn er nicht den Zorn
des tapfern und sehr zahlreichen Volkes drinnen fühlen wollte. Allein Manch
lachte laut und antwortete nur: „Das dichtsteheude Gras ist besser zu mähen,
als das dünne." — Da versuchten die Gesandten eine andre Sprache und frag¬
ten, womit sie denn den Frieden erlangen könnten. — „Wenn ihr alles Gold,
Silber und kostbare Geräth, was in der Stadt ist, und alle Sclaven deutscher
Abkunft ausliefert", war die Antwort. — „Aber was willst du uns denn übriq
lassen?" — „Das Leben", antwortete er.
Das war eine harte Botschaft für die stolzen Römer; allem Alarich ließ
sich auf feinen andern Vergleich ein; er wußte wohl, daß die Tapferkeit in Rom
nicht mehr zu finden sei; und endlich, als feine andere Hülfe war, mußten sie
fernen Willen thun und mit 5000 Pfund Gold, 30,000 Pfund Silber, nebst
vielen Kostbarfeiten und einer Menge Sclaven, den Frieden ersaufen. Das
meiste zahlten sie gleich, das übrige versprachen sie nachzuliefern. Aber die Frie¬
densbedingungen wurden nicht ordentlich erfüllt und da verlor der Sieger endlich
die Geduld, stürmte im Jahr 410 die große, nun schon herabgesunfene, Stadt
und eroberte sie. Die gothischen Krieger plünderten die faiserlichen Paläste und
die Hauser der Großen — der Kaiser Honorius selbst saß unterdeß zu Ravenna
und hatte nicht das Herz, seiner unglücklichen Hauptstadt zu Hülfe zu fomnten
—; sie würden noch größere Zerstörung angerichtet, ja vielleicht die ganze Stadt
in einen Ascheuhaufen verwandelt haben, wenn nicht die Achtung gegen die Kir¬
chen und die kirchlichen Heiligthümer sie zurückgehalten hätte, denn die Gothen
waren, zum Glück für die Stadt, schon seit 30 bis 40 Jahren Christen gewor¬
ben. So lief die erste Eroberung für die Stadt Rom noch ziemlich gut ab.
Dem hochherzigen Alarich war es aber noch zu klein, blos über das ver¬
derbte Rom zu herrschen; er verließ es bald wieder und ging nach Unteritalien,
um dann nach Steiften und von da nach Afrtfa überzugehen und sich ein gro¬
ßes Reich an den Küsten des mittelländischen Meeres zu stiften. Aber der Tod
machte plötzlich seinen Entwürfen ein Ende; er starb zu Cosenza, da er erst 34
Jahr alt war. Seine Gothen trauerten sehr über ihn. Nach alter Sitte mußte
der König feierlich mit seinen Waffen, seinem Streitroß und vielen Kostbarfeiten
begraben werden. Damit nun nicht nachher, wenn sie die Gegend wieder ver¬
lassen hätten, die Römer fönten und das Grab des großen Alarich aufwühlten,
um die Schätze zu rauben, leiteten sie den Fluß Busento in ein frisch gegrabenes
Bette ab, begruben den König mit den Denkmälern seiner Siege im Grunde
des alten Bettes und leiteten den Fluß wieder hinein, so daß feine Wellen nun
über den König herflofsen und ihn beschützten.
Zum neuen König wählten sie Alarichs Schwager Athaitlf (Adolf), den
schönsten unter ihren Edlen, und zogen unter feiner Anführung wieder durch Ita¬
lien hinauf, über die Alpen nach Frankreich und Spanien, und stifteten dort un¬
ter ihm und feinem Nachfolger Wallia ein großes westgothifches Reich, mit
der Hauptstadt Toulonse im südlichen Frankreich.
In dem südöstlichen Theile von Franfreich, an dem Rhonefluffe, so wie
in der Schweiz und Savoyen, hatten sich die Burgunder festgesetzt.
In dem nordwestlichen Theile Spaniens faßen die dahin gewanderten
Sueven.