Des deutschen Reiches Verfassung. 143
^ Bundesrathe resp. Reichskanzler zu überweisen. Zur Auflösung des Reichstages
r innerhalb der Legislaturperiode ist ein Beschluß des Bundesrathes unter Zustlm-
r munq des Kaisers nöthig. Neunzig Tage nach seiner Auflösung muß der Rerchstag
r wieder versammelt werden. Eine Vertagung des Reichstages darf drerßrg Tage
t niefit übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden. Der
• Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder, regelt seinen Geschäftsgang und
j seine Disciplin durch eine Geschäftsordnung und erwählt seinen Präsidenten, Vice-
F Präsidenten und Schriftführer. Der Reichstag beschließt nach absoluter Stimmen-
t mehrheit und ist beschlußfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist.
; Die Mitglieder des Reichstages sind Vertreter des gesammten Volkes und dürfen
),on Aufträge und Instructionen nicht gebunden werden; auch dürfen sie wegen
? Aeußerungen, die sie in Ausübung ihres Berufes gethan, nicht zur Verantwortung
, gezogen und während der Sitzungsperiode ohne Genehmigung des Reichstages
l wegen einer strafbaren Handlung nicht zur Untersuchung gezogen oder verhaftet
l werden, cs sei denn, daß sie bei Ausübung der strafbaren Handlung oder mr
: Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen werden. Die Mitglieder des Reichstages
| dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen.
VI. Zoll- und Handelswesen. Deutschland bildet ein Zoll- und Handels-
1 gebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Nur die Hansestädte Hamburg-
? Altona und Bremen nebst ihren Gebieten bleiben als Freihäfen außerhalb der
i gemeinschaftlichen Zollgrenze, so lange sie ihren Einschluß nicht beantragen. Das
Reich ausschließlich hat die Gesetzgebung über das gesammteZollwesen, über die Be¬
steuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und Tabaks, bereiteten Bieres*)
und inländischen Zuckers. In Baiern, Würtemberg und Baden bleibt die Be¬
steuerung des inlänb. Branntweins und Bieres der Landesgesetzgebung vorbehalten.
Der Ertrag ber Zölle unb ber Verbrauchssteuern, letzterer, soweit sie ber Reichs¬
gesetzgebung unterliegen, fließt in bie Bundes-Reichs-Kasse. Baiern unb Würtem-
; berg haben an betn in bie Reichskasse fließenben Ertrage ber Steuern von Brannt-
t wein unb Bier keinen Theil.
VH. Eisenbahnwesen. Eisenbahnen, welche im Interesse ber Vertheibigung
Deutschland oder im Interesse bes gemeinsamen Verkehrs für nöthig erachtet
r werben, können kraft eines Reichsgefetzes auch gegen ben Widerspruch derjenigen
. Bundesglieder, deren Gebiet dieselben durchschneiden, für Rechnung des Reichs
i angelegt werden. Die Bundesregierungen verpflichten sich, die deutschen Eisen-
! bahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz verwalten
i und zu diesem Behufe auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Nor-
t men anlegen und ausrüsten zu lassen. Es sollen daher übereinstimmende Betriebs-
i Einrichtungen, insbesondere gleiche Bahnpolizei-Reglements eingeführt werden. Das
! Neich hat darüber zu wachen, daß die Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit
i in einem die nöthige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten und die-
f selben mit ausreichendem Betriebsmaterial ausrüsten. Dem Reiche steht die Con-
t trole über das Tarifwesen zu. Baiern ist in dieser Hinsicht insofern eine Aus-
! nahmestellung eingeräumt, als dasselbe im Wege der Reichsgesetzgebung nur ge-
i halten werden kann, einheitliche Normen sür die Constructiopen und die Aus-
r rüstung der für die Landesvertheidigung wichtigen Eisenbahnen aufzustellen. Sämmt-
*) In Elsaß-Lothringen bleibt die Besteuerung des inländ. Bieres bis auf weiteres der
i inneren Gesetzgebung vorbehalten.