14 Die Kreuzzüge u. die Gründung der geistl. Ritterorden.
§ 9. Die Kreuzzüge und die Gründung der geistlichen
Sr Ritterorden (1096-1291).
1. Schon seit dem vierten Jahrhundert war die Sitte herrschend geworden,
zum Heil der Seele und zur Büßung eines sündhaften Lebens Wallfahrten nach
Jerusalem zu unternehmen. So lange nun die handeltreibenden Araber im Besitz
des Landes waren, durften die Christen ungehindert kommen und gehen. Als
aber die rohen seldschnkkischen Türken die Herren von Syrien und Palästina wa¬
ren, erlitten sowohl die eingebornen Christen als auch die Wallfahrer harte Drang¬
sale. Letztere mußten hohe Steuern erlegen, und wurden häufig beraubt, mißhan¬
delt und getödtet. Da trat ein von Jerusalem heimkehrender Pilger, Peter von
Amiens, vor Papst Urban II., schilderte ihm die Leiden der Christen im Mor¬
genlande und erhielt den Auftrag, in Stadt und Land umherzuziehen und die
Gemüther für das großartige Unternehmen einer Befreiung des heil. Landes aus
den Händen der Ungläubigen vorzubereiten. Die ergreifenden Schilderungen des
hageren Mannes, der, mit einem Bußgewande angethan, auf einem Esel ritt, fan¬
den in den Herzen des Volkes einen mächtigen Wiederhall. Als daher der Papst
1095. auf einer zu 61erntont (im südlichen Frankreich, i. I. 1095) abgehaltenen Kir¬
chenversammlung die versammelte Menge zum Kamps gegen die rohen Barbaren
aufforderte, erscholl aus allen Kehlen der Ruf: „Gott will es!" und Tausende
knieten nieder und begehrten sogleich in die Zahl der heiligen Streiter ausgenom¬
men zu werden. Sie hefteten sich ein rothes Kreuz aus die Schulter, woher die
neue Verbrüderung den Namen „Kreuzfahrer" erhielt. Ablaß der Sünden und
ewiger Lohn im Himmel wurden nebst manchen irdischen Vortheilen den Ziehenden
io99-uerheißen. So begann der erste Kreuzzug von 1096 — 1099.
2. Im August des Jahres 1096 zog ein stattliches Heer (400,000 Mann)
unter Herzog Gottfried von Bouillon (fpr. Bulljongh) und anderen Füh¬
rern nach dem H. Lande. Unter großen Bedrängnissen und mancherlei Gefahren
gelangten sie nach Antiochien und eroberten die feste, reichlich versehene Stadt nach
neunmonatlicher Belagerung. Aber schon nach drei Tagen wurden die Sieger von
einem starken türkischen Heere eingeschlossen und hart bedrängt. Aus dieser Lage
errettete sie die in der Peterskirche zu Antiochien entdeckte heilige Lanze (mit wel¬
cher Christi Seite durchbohrt sein soll), deren Auffindung die Kreuzfahrer in solche
Begeisterung versetzte, daß sie bei einem Ausfall das übermächtige Heer der Bela¬
gerer in die Flucht schlugen und sich den Weg nach Jerusalem öffneten.
3. Als man um Pfingsten aus von einer Anhöhe Jerusalem erblickte, fielen
alle in heiliger Andacht auf die Kniee, vergossen Thränen der Rührung und prie¬
sen Gott mit Lobgesängen. Am folgenden Tage wurde die heilige Stadt umschlos¬
sen. Allein die Eroberung der festen Stadt war eine schwere Ausgabe für die;
ermatteten und aller Belagerungswerkzeuge entbehrenden christlichen Streiter. Was¬
sermangel und die verzehrende Gluth der Sonne wirkten verderblicher als die
Pfeile der Feinde; jedoch die neuerwachte Begeisterung überwand alle Hindernisse.
Nach einer Belagerung von dreißig Tagen wurde endlich Jerusalem nach einem
zweitägigen Sturm unter dem Rufe: „Gott will es; Gott hilft uns!" erobert.
Schrecklich war das Loos der Ueberwundenen. Als die Rache gestillt und die
Raubgier befriedigt war, kehrten wieder christliche Demuth und Bußfertigkeit in die.
Gemüther zurück; entblößten Hauptes und barfuß zogen sie unter Lobgesängen nach
der Kirche des h. Grabes, um mit inbrünstigem Gebet Gott für das gelungene,