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Fr iedrich Wilhelm I., König in Preußen.
die Tochter des Kurfürsten von Hannover. Sie war am 20. Oktober 1668 f
geboren und hatte frühzeitig eine vorzügliche Bildung genossen. Von großem Ein¬
fluß auf ihr geistiges Leben war der Umgang mit dem berühmten Gelehrten
Leibnitz. Am 28. September 1684 vermählte sie sich mit dem damaligen
Kurprinzen Friedrich. Der Prunk und die Steifheit des Ceremoniells am Berliner j
Hofe waren nicht nach ihrem Sinn; sie bildete sich daher ein Dasein für sich und
suchte ihre Freuden und Erholungen in einem engeren Kreise, wo sie dem Austausch
ihrer reichen Gedanken sowie der Heiterkeit ihres Gemüths freien Laus lassen konnte.
An ihren vertraulichen Gesellschaftstagen war alle lästige Hofsitte aufgehoben, die '
Damen erschienen im einfachsten Anzuge mit einer Handarbeit; auch Gelehrte und "
minder angesehene Personen fanden hier Zutritt. Friedrich ließ seine Gemahlin ;
in diesen stillen Freuden eines vertrauensvollen Verkehrs gewähren und kaufte ihr j
zum Landaufenthalte das Dorf Lietzow bei Berlin, wo er ihr ein Schloß erbaute, ^
das nach ihr den Namen Charlollenburg erhielt. ' Dieses Schloß wurde der j
Lieblingsaufenthalt der Fürstin und ihres interessanten Kreises, in welchem neben ?
der gemüthlichsten geselligen Unterhaltung auch Vorlesungen, Musik und Bühnen- ;
spiel, sowie wissenschaftliche Gespräche gepflegt wurden. Durch das Beispiel dieser
hohen Frau wurden die geistigen Bestrebungen in den höheren Kreisen angeregt
und aufgemuntert und besonders eine feinere Lebenssitte, sowie bessere gesellige Nei- i
gungen erzeugt. Zu srüh für ihren königlichen Gemahl, wie für das Land riß ;
sie der Tod aus ihrem gesegneten Wirkungskreise im Jahre 1705, nachdem sie \
schon in ihrem sünsundzwanzigsten Jahre ihr Testament in echt christlichem Sinne ;
niedergeschrieben hatte.
|7i3- § 29. Friedrich Wilhelm I., König in Preußen (1713—1740).
1. Friedrich Wilhelm als Kronprinz. Friedrich Wilhelm I., des ,
Aug. vorigen Sohn, war am 4. August 1688 in Berlin geboren. Seine erste .Er- <
1688‘ ziehnng wurde der Frau von Rvncoulle übertragen; später erhielt' er den }
General Graf Dohna zum Lehrer. Frühzeitig entwickelte sich mit der Kör¬
perkraft des Prinzen sein lebhafter Geist und ein starker Wille. Liebe zu den j
Wissenschaften und Künsten blieb ihm fremd, er wollte mir das lernen, was
er für unmittelbar nützlich hielt, und in Rede und Haltung trat bei ihm eine
kräftige Geradheit und eine Abneigung gegen allen Zwang hervor. Bereits
im frühesten Knabenalter hatte er feine größte Freude am Soldatenwesen, und
schon als Kind bildete er sich aus Edelknaben gleichen Alters eine Compagnie f
(Jadeiten, für welche er eine wahre Leidenschaft zeigte; für sie scheute der sonst ’
so sparsame Prinz feine Ausgaben, und mit unermüdlichem Eifer exercierte er l
mit feiner kleinen Truppenschaar. Im Jünglingsalter bildete er sich zu Wu- I
sterhaufen ans geschickten Offizieren und ansehnlichen Leuten ein besonderes !
Bataillon. Neben dieser Vorliebe sür's Soldatenthum entfaltete der Kronprinz i
allmählich eine einfache und strenge Religiosität und einen rechtschaffenen Sinn, i
der aber nicht frei von Leidenschaften war.
2. Des Königs Haushalt. Bald nach seinem Regierungsantritt ent< i
ließ Friedrich Wilhelm alles überflüssige Beamtenpersonal und behielt nur we- :
nige Hofbeamte bei, ja auch diese nur bei geringem Gehalt. Von vornherein ;
richtete er fein Bestreben aus zweierlei: aus Soldaten und auf Geld; denn er j
war überzeugt, daß die Achtung Preußens wesentlich von seiner Heeresstarke j
abhinge.