Full text: Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte

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scheußlichsten ist der Rachekrieg zwischen Brunhilde von Austrasien 
(Ostreich) und Frehegunde von Neustrien (Westreich). Beide Fürstinnen 
zeigen, wie der weibliche Charakter durch Neid, Eifersucht, Herrschsucht 
und Rachsucht entarten kann. Die Nachkommen Chlodwigs wurden zu¬ 
letzt schwache und machtlose Träger des Königstitels. An ihrer Stelle 
nahmen die Hausmeier oder Vorsteher des königlichen Hauses die Zügel 
der Regierung in die Hand. 
5. Die deutsche Lehnsverfassung. In jenen Zeiten entwickelte 
sich die Lehnsverfassung. Die Könige beschenkten ihre Dienstmannen mit 
erobertem Lande, das Allod hieß und freies Eigentum war. Von dem, 
was sie behielten, gaben sie wieder Stücke an Dienstleute als Lehen 
zur Nutznießung auf Lebenszeit. Lehnsleute konnten wieder kleinere 
Stücke an ihre Geleitsmänner als Afterlehen geben. Vom Kaiser bis 
zum Bauer herab bildeten alle eine fortgesetzte Kette von Lehnsherren 
und Lehnsleuten. Die Belehnung geschah feierlich durch Überreichung 
einer Fahne bei Fürsten, eines Ringes oder Stabes bei Geistlichen, 
eines Hutes oder Handschuhes bei Adeligen und eines Zweiges oder 
Torfstückes bei Bauern. Die Lehnsmänner gelobten durch Eidschwur 
und Handschlag, ihren Lehnsherren hold, treu und gewärtig zu sein. 
Belehnte waren Vasallen ihrer Lehnsherren und ihnen zu 
Dienst und Treue verpflichtet. Die armen Freien gerieten nach 
und nach in immer größere Abhängigkeit von den Grundherren und 
wurden Unfreie. Zunächst verwalteten sie als Meier oder Aufseher 
die Höfe. (Daher die vielen Familiennamen mit Meier.) Sie hatten 
den Lehnsherren meist den Zehnten der Feldfrüchte, allerlei Abgaben 
an Hühnern, Eiern, Butter, Fleisch u. s. w. sowie Fron-, d. h. Herren¬ 
dienste, mit Hand und Gespann und im Kriege Heerdienste zu leisten. 
Die letzteren, die sogenannte Blutsteuer, übernahmen nach und nach 
die Ritter allein und wälzten dagegen alle übrigen Lasten und Ab¬ 
gaben auf die Bauern. Bei Zunahme der Bevölkerung, Kriegsunruhen 
und Mißwachs wurde ihre Lage immer drückender und elender. Sie 
konnten ihre Pflichten nicht mehr erfüllen, wurden Leibeigene ihrer 
Lehnsherren oder abgemeiert, d. h. von Haus und Hof verjagt. Die 
Unfreien waren entweder Dienstmannen im persönlichen Dienste ihres 
Herrn bei Kriegen, auf der Jagd u. s. w., oder Hörige, die ein Grundstück 
ihres Herrn, an das sie gebunden waren, nutzten, und zu vielen Diensten 
und Abgaben verpflichtet waren, oder Leibeigene, deren rechtliche 
Stellung noch unselbständiger war als die der Hörigen. Am besten 
hatten es meist die Dienst- und Lehnsleute der Kirchen und Klöster. 
Ihre Herrschaft war anfänglich mild. Die Kirche half den Schwachen, 
verminderte die Zahl der Frondienste, schaffte die Sonntagsfron ganz 
ab und gab den gequälten Bauern durch neue Feiertage einige Ruhe¬ 
pausen. Als die Kirche durch Schenkungen reich wurde, verzichtete sie 
nicht selten auf den widerwillig gezahlten Kirchenzehnten. Allein die 
Schutzvögte der Kirchen und Klöster rissen diese Steuern meist an sich 
und trieben sie unbarmherzig ein. Immer trauriger gestaltete sich so 
im Laufe der Jahrhunderte das Los der Bauern.
	        
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