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219. Aus der Heimat der Spielwaren.
Von August Trinius.
(7^er Thüringer Wald ist das größte Puppenheim der Welt, eine
^ Riesenspielzeugschachtel, aus der das Christkind alljährlich auf
hunderttausend lichtüberstrahlte Weihnachtstische die köstlichen schil¬
lernden Gaben stellt.
Die Hauptorte des Thüringer Waldes, wo Herstellung und Han¬
del aller Spielwaren zusammenfluten, sind das meiningische Sonne¬
berg mit dem benachbarten koburgischen Städtchen Neustadt an der
Heide und das gothaische Städtchen Waltershausen. Was die Ort¬
schaften im und am Walde an Hausindustrie schaffen, in diesen drei
Städten sammelt es sich an, wird zum Teil noch zusammengesetzt,
bemalt, verpackt und wandert dann wohlverwahrt in mächtigen blech-
ausgeschlagenen Kisten über alle Meere, zu den fernsten Erdteilen.
Alljährlich im Spätherbst treffen die Käufer aus aller Herren
Ländern in den thüringischen Fabrikstädten ein. Da werden die
neuen Muster in Augenschein genommen und ausgewählt; dann wird
der Bedarf für das nächste Jahr bestellt, oft zu viel taufend Dutzen¬
den. Von den Besuchen dieser Fremden hängt gar manchmal das
Wohl und Wehe zahlloser armer Familien im Walde ab. Fallen
die Bestellungen reich und glänzend aus, so gibt es Arbeit für das
kommende Jahr. Bleiben die Käufer aus, so stellt sich dafür die
Not ein, die ja als Hausbewohnerin des Waldes von jeher nicht
unbekannt gewesen ist. Freilich auch in guten Jahren müssen alt
und jung bis in die Nacht hinein tüchtig Arme und Finger rühren,
soll das Nötigste an Brot und Kleidung nicht fehlen.
Unter den Erzeugnissen der Spielwarenindustrie marschiert die
Puppe voran. Millionen von Puppen werden alljährlich im Thü¬
ringer Walde geboren, von dem schlichtesten „Täufling" mit grob¬
geschnitztem Holzkopf bis zur kleinen Modedame, die laufen, sich
setzen und alle Glieder mit Anmut bewegen kann, die singt, mit
Anstand Milch trinkt, „Gute Nacht, Papa! Gute Nacht, Mama!"
schnarrt und dann gähnend die Augen zum Schlafe schließt. Aber
selbst die einfachste Puppe ist heutzutage ein kleines Kunstwerk, ein
Wunderding an Geschmack und Liebreiz gegen das, was noch vor
einigen Jahrzehnten der Kinderwelt dargeboten wurde. Vor allem
aber ist die Thüringer Puppe unendlich billig. So angenehm diese
Eigenschaft auch für den Käufer sein mag, sie wird doch nur erkauft
durch niedrige Arbeitslöhne und durch den Umstand, daß die ganze
Familie bis zum Kleinsten dafür tätig sein muß.
Es gibt ganze Walddörfer, die nur Köpfe, Arme, Beine und
Gelenkteile schnitzeln und formen. Der Hirt an der Bergwand in-