57
Liebe und Sorge für das Vaterland entwickelte alle edlen Keime in dem
hochbegabten Volke. Der Ruhm und der Reichtum führten nach und
nach den Verfall herbei. Zwietracht und Streit, Übermut und Üppig¬
keit verzehrten die besten Kräfte. Ehe und Familienleben wurden mi߬
achtet. Schwelgerei, Prunksucht und Unsittlichkeit nahmen überhand.
Habsucht, Bestechlichkeit, Ungerechtigkeit schändeten nicht mehr. Die Götter
würden verachtet und verspottet, Eide ohne Bedenken gebrochen, Mein¬
eidige in öffentlichen Ämtern und Ehren gelassen. Die Redner suchten
durch Scheingründe zu blenden, nicht zu überzeugen. Gegenseitiges
Schimpfen und Schmähen gehörte zu ihrem Geschäft. Die Gerechtigkeit
war feil, die Sinnenlust der allgemeine Opferaltar. Grausam wurden
die Sklaven behandelt, um geringer Vergehen willen Folterqualen über
sie verhängt. Die öffentlichen Gebäude, einst die schönsten, wurden ver¬
nachlässigt, dagegen die Häuser der Bürger mit unglaublicher Pracht
ausgestattet. „Geld und Genuß" war die Losung. Die Redlichkeit und
Einfachheit eines Epaminondas, Sokrates und Diogenes wurden
als etwas Außerordentliches angestaunt.
Ein so sittlich faules Geschlecht mußte trotz seiner Gaben, trotz
seiner Kunst und trotz der tiefsinnigen Wissenschaft eines Aristoteles
untergehen.
Fragen: Deute die einzelnen Aussprüche Alexanders! — Alexanders
Charakter! Wer und was hat ihn beeinflußt? — Was haben seine Eroberungen
der Weltkultur genützt? — Seine Züge auf der Karte! — „Alexander" von Lingg.
Alexanderlied des Pfaffen Lambrecht.
17. Nom unter den Königen.
1. Wo Rom lag. Italien zerfiel in Ober-, Mittel- und Unter¬
italien oder Großgriechenland (Griechen hatten hier zuerst Städte
gegründet). Die Apenninen durchziehen die Halbinsel der Länge nach und
lassen im Osten und Westen Küstensäume. Oberitalien durchströmt der
Po; in Mittelitalien fließen Arno und Tiber westlich zum Ligurischen
und Tyrrhenischen Meere. Südlich vom Tiber lag die Landschaft Latium,
im nördlichen Teile vom Unterlaufe des Tiber durchströmt. Hier soll
der flüchtige Trojaner Äneas mit seinem Sohne Ascanius die Stadt
Alba Longa gegründet haben. (Siehe Karte 3.)
2. Wie Rom gegründet ward. Über die Gründung der be- 753
rühmtesten Stadt des Altertums berichtet die Sage: König Numitor Chr.
in Alba Longa wurde von seinem herrschsüchtigen Bruder Amulius
entthront, sein Sohn ermordet und seine Tochter Rhea Silvia zur
Vestalin gemacht. (Die Vestalinnen waren Jungfrauen, die das ewige
Feuer der V e st a, der Göttin des häuslichen Herdes, unterhalten und
ihre Heiligtümer hüten mußten.) Der Kriegsgott Mars vermählte sich
mit ihr. Ihre Zwillinge Romulus und Remus ließ Amulius ins
Wasser werfen, sie selbst aber lebendig begraben. Der übergetretene
Tiber aber trug den Korb mit den Kindern aufs Trockene. Eine
Wölfin säugte die wimmernden Kinder, und ein Hirt, der sie ge¬
funden hatte, erzog sie. Bei einem Streite mit den Hirten Numitors