Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der alten und beginnenden neuen Zeit (Bd. 1)

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Sorge für die Armen, 
vom Winde geschwellten Segel und er blieb unverletzt inmitten des Brandes stehen. Die 
Verfolger staunten, gingen jedoch nicht in sich, sondern hießen den Konfektor hinzutreteu und 
ihn durchbohren. Jetzt sank der heilige Bischof; aus seiner Todeswunde strömte eine solche 
Fülle des Blutes, daß die ganze Glut des Scheiterhaufens ausgelöscht wurde. 
Die Gläubigen schickten sich nun an, voll Ehrfurcht die Leiche des Siegers wegzutragen, 
aber, aufgereizt von den Juden, baten einige Vornehme den Prokonsul, solches nicht zu ge¬ 
statten, sonst würden die Christen den Gekreuzigten verlassen und diesen anbeten. — „Die 
Toren," schreibt die Gemeinde von Smyrna, „welche nicht wußten, daß wir ihn, welcher für 
aller Erlösung den Tod erduldet hat, Jesum Christum, nie verlassen noch einem andern 
dienen können; denn vor ihm, dem Sohne Gottes, fallen wir anbetend nieder; die Märtyrer 
aber verehren wir mit verdienter Liebe, weil sie ihrem König und Meister so nnübertreff- 
liche Liebe erwiesen haben. O möchten wir ihre Genossen und Nachahmer werden!" Der 
römische Hauptmann merkte die Gärung unter den Juden und ließ den Leib des Märtyrers 
schleunig verbrennen; die Gläubigen aber sammelten seine Gebeine mit großer Sorgfalt und 
setzten sie an geweihter Stätte bei am 26. März. Als Todesjahr gilt nach den neueren 
Forschungen das Jahr 155. 
Die christliche Caritas in den ersten Zeiten. 
Der charakteristische Unterschied des Christentums von dem Heidentum lag in dem Ge¬ 
bote der Liebe, woran Christus erkennen wollte, welche seine Jünger seien. Darum erscheint 
als Grundzug im Leben der ersten Christen die umfassendste Ausübung dieses Gebotes. Be- 
wiesen die Christen als Märtyrer die Kraft ihres Glaubens, so übten sie in ihren Anstalten 
für die Armen, Kranken, Witwen und Waisen die Werke jenes Glaubens. Betrachten wir 
dieses-erhabene Schauspiel im einzelnen. 
1. Die Sorge für die Armen wurde unter den ersten Christen in einer Weise geübt, daß 
man in Wahrheit sagen konnte, daß kein Armer unter ihnen war. Jeder gab nach Möglich- 
keit, veräußerte nach dem Bedarf der Not und mit Rücksicht auf seinen und der Seinigen 
Lebensunterhalt von seiner Habe zugunsten der Gemeindekasse; das übrige behielt er für sich; 
aber auch dies nur in dem frommen Glauben, daß alles Gottes Geschenk und alles für die 
Brüder sei, wenn der Schrei der Not zu seinem Herzen drang. Das war der christliche 
Kommunismus, den uns die Apostelgeschichte schildert: „Keiner unter ihnen (den Gläubigen) 
war dürftig; so viele von ihnen Äcker oder Häuser besaßen, verkauften diese und brachten 
den Preis des Verkauften herbei und legten ihn zu den Füßen der Apostel. Jeglichem wurde 
aber gegeben, soviel er bedurfte." Dieses edlen Kommunismus, weit' entfernt von dem 
zwangsweisen Aufheben alles Eigentumsrechtes im Sinne der Kommunisten unserer Zeit, 
rühmt sich Tertulliau gegen die Heiden in seiner Verteidigungsschrift: „Bei euch Heiden wird 
wegen der Glücksgüter auch die natürliche Verbrüderung zerrissen, bei uns aber, die wir Ein 
Herz und Eine Seele sind, ist alles, was wir besitzen, gemeinschaftlich, — alles, nichts aus¬ 
genommen, als die Frauen." 
Wenn auch jene Einmütigkeit und jener Heroismus der Gesinnung in der nrsprüng- 
lichen Kraft nicht fortdauerten, so blieben sie doch der feste Grnnd für das spätere christ- 
liche Leben. 
Die Armen wurden in der nachapostolischen Zeit fort und fort entweder von den ein- 
zelnen Gläubigen privatim unterstützt oder aus dem in der Kirche gesammelten und von
	        
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