Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der alten und beginnenden neuen Zeit (Bd. 1)

Einzelne Beispiele der Liebe unter den ersten Christen. 
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ihren Vorstehern verwalteten Armenschatze, der aus den freiwilligen Gaben der Gläubigen 
gebildet war und zu dessen Verteilung die Diakone verwendet wurden. Dieser Schatz war 
seit den ersten Zeiten des Christentums immer gut bestellt und für alle Bedürfnisse aus- 
reichend. So unterhielt die römische Kirche unter Papst Cornelius (250) mit ihrem Armen- 
gelbe über 5000 Arme und ebenso erzählt Chrysostomus von der Kirche zu Antiochien, daß 
dieselbe zu seiner Zeit außer den Geistlichen, Fremden, Kranken und Gefangenen noch mehr 
denn 3000 Witwen und Mägde täglich unterhalten habe. Nach der Wiederkehr des Frte- 
dens und der Freiheit für die Kirche kannte die Freigebigkeit keine Grenzen mehr und bte 
Geschenke, welche für die Kirche und die Armen flössen, bestanden nicht bloß in Gold- und 
Silbergefäßen, sondern auch in Häusern und Landgütern. Was für den Unterhalt der Kle- 
riker notwendig war, wurde davon genommen, der übrige Teil für die Armen verwendet; 
„denn," sagt der heilige Ambrosius, „die Kirche besitzt ihr Gold nicht, um es aufzubewahren, 
sondern um es zum Tröste der Armen zu verwenden." Zu dieser Fürsorge der Kirche für 
die Armen trat, durch das edle Beispiel angezogen, allmählich auch die der weltlichen Re- 
gierung; denn die Kaiser ernannten in jeder Stadt einen eigenen Armenanwalt zum Schutze 
und zur Vertretung aller Unglücklichen. Ferner begegnet uns die fromme Sitte, daß die 
einzelnen Kirchengemeinden sich gegenseitig mit Almosen aushalfen. Dieser heilige Gebrauch 
ist so alt als die Kirche selbst; denn er findet seinen Anfang schon in den Zeiten der Apostel, 
in denen wir mehrfachen Beisteuern auswärtiger Kirchengemeinden für die bedrängten Christen 
in Jerusalem begegnen. Die Sammlung für die Unterstützungsbedürftigen geschah, wie der 
heilige Paulus berichtet, am Tage nach dem Sabbat (Sonntag) bei Gelegenheit der gottes- 
dienstlichen Versammlung. Dieser Gebrauch war ganz allgemein. 
Was die Kirchengemeinden taten, das geschah gleichmäßig von den einzelnen Gliedern 
derselben. Wenn auch die Beobachtung der Vorschrift Jesu: „Wenn du Almosen gibst, so 
soll deine Linke nicht wissen, was die Rechte tut," den größten Teil der Beispiele christlicher 
Mildtätigkeit der Öffentlichkeit entzogen hat, so sind dennoch einzelne bewunderungswürdige 
Liebestaten auf uns gekommen. Es war eine ganz gewöhnliche Erscheinung, daß Neubekehrte 
ihr Vermögen unter die Armen verteilten oder sterbende Christen die Armen zu ihren Uni- 
versalerben einsetzten. Es bedurfte aber nicht solcher wichtiger Zeitpunkte allein, um wahre 
Heldengestalten der christlichen Caritas in den christlichen Gemeinden erscheinen zu lassen. 
Das Altertum kannte gar viele, welche ihr ganzes Leben und all ihr Vermögen dem Dienste 
der Armen widmeten. Von der heiligen Nonna schreibt ihr Sohn Gregor von Nazianz, 
daß ihr die ganze Welt nicht ausgereicht hätte, um ihre heilige Begierde, den Armen Gutes 
zu tun, zu stillen, und daß er sie oft habe sagen hören, wie sie, wenn es ihr vergönnt 
wäre, auch bereit sein würde, sich und ihre Kinder ganz willig zu verkaufen, um den Erlös für 
die Verpflegung der Armen zu verwenden. Dieselbe große Liebe zu den Armen veranlaßte 
den heiligen Gregor, seine Schwester Gorgiana das rechte Auge der Blinden, den Fuß der 
Lahmen und die Mutter der Waisen zu nennen. Männer, wie Cyprian, Ambrosius, Augu- 
stin, Origenes, Antonius, Athanasius, Chrysostomus u. a. waren arm für sich selbst, reich 
für die Armen, denen sie sich als wahre Väter erwiesen und Tag und Nacht die Türe offen 
hielten. Betrachtete doch Chrysostomus die Häuser der Gläubigen nur als Schatzkammern 
der Armen. „Euer Haus," sagte er, „möge gewissermaßen eine Kirche sein, geheiligt durch 
das Gut der Wohltätigkeit. Seid selbst die Hüter des heiligen Geldes, ernennt euch selbst 
zu Ökonomen der Armut! die Gefühle der Menschlichkeit und Wohltätigkeit übertragen euch 
dieses Prtestertum. In dem Räume eurer Wohnung, in welchem ihr euer Gebet zu ver- 
richten gewohnt seid, hinterlegt das Stammgut der Armut. So oft ihr hier eintretet, um
	        
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