Zweite Periode. Vom westfiil. Frieden bis zur französ. Revolution. 189
aufgegeben hatte, die des Landkriegs durch den Frieden zu Huber¬
tusburg, der die Friedensschlüsse von Breslau und Dresden
erneuerte. Preußen hatte, wennauch unter unsäglichen Opfern, sich
den Rang als Großmacht erkämpft, England, wennauch mit einer-
gewaltigen Schuldenlast beschwert, seine See- und Kolonialherrschaft
erweitert, Frankreich dagegen unter derMißregierung des zum schamlosen
Wollüstling gewordenen Ludwig XV. seinen alten Waffenruhm verloren.
§ 100. Deutschland seit 1763. Seit Wiederherstellung des
Friedens widmete Friedrich der Große seine ganze Kraft der Em-
porbringung seines Landes. Die Erneuerung des Heeres als des
Grundpfeilers der preußischen Macht, die Füllung des Staats¬
schatzes, die Wiederherstellung des zerrütteten Gewerbes und Acker¬
baus, der Wiederaufbau eingeäscherter Städte, die Unterstützung
verarmter Provinzen, die Entsumpfung der Oder-, Warthe- und
Netzebrüche, die Anlegung von Kanälen, die Vorbereitung des all¬
gemeinen Landrechts waren Wohlthaten, durch welche einzelne ver¬
fehlte Maßregeln wie die Einführung der Regie und Accise weit
überwogen wurden. Friedrichs großartige Regententhätigkeit wirkte
als leuchtendes Vorbild aus die übrigen, selbst die geistlichen Fürsten¬
höfe Deutschlands; durch ihn und die Thaten des siebenjährigen
Kriegs kam auch der erste und wahre höhere Lebensgehalt in die
deutsche Poesie, deren Aufschwung, wennauch von dem im fran¬
zösischen Geschinack ausgewachsenen Preußenkönig unverstanden und
uugeehrt, eine große geistige Erhebung des deutschen Volkes in¬
mitten seines politischen Verfalls vorbereitete. Auch Maria Theresia
lernte von. ihrem Gegner mit der Wohlfahrt ihrer Reiche zugleich
die Kraft derselben zu heben. Ihr feuriger und geistvoller Sohn
Joseph TL, der dem Vater in der Kaiserwürde folgte, unter- [1765—90
nahm vergeblich den Versuch die verfallene Reichsverfassung wieder¬
zubeleben; wie das Kaisertum, seitdem es nicht mehr die Schutz¬
wehr gegen Türken und Franzosen bildete, den letzten Schein einer-
nationalen Einrichtung verloren hatte, so waren auch die alten
Reichssormen nur noch ein Hindernis der nationalen Entwicklung.
Joseph blieb seitdem nur noch bedacht für Österreich den Verlust
Schlesiens auf Kosten Baierns auszugleichen, indem er beim Erlöschen
der kurbairischen Linie der Wittelsbacher deren Erben, den kinder- [1777
losen Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, zur Abtretung
Niederbaierns, der Oberpfalz rc. bestimmte. Allein Friedrich, ent¬
schlossen keine Vermehrung der österreichischen Macht in Deutschland
zu dulden, bewog den künftigen Erben, den Herzog Karl von