Full text: Griechische Heldensagen für die Jugend

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Traurig blickte Deukalion auf die grenzenlose Ver¬ 
wüstung: Todesstille rings in der unermeßlichen Ein¬ 
öde! „Ach," sagte er zu seinem Weibe, „in allen 
Landenvom Aufgang bis zum Niedergang sind von den 
Menschen wir beide allem noch am Leben, alle andern 
hat die Flut verschlungen. Was sollen wir Einsamen 
auf der leeren Erde beginnen?" Beide weinten; 
dann gingen sie nach dem verlassen stehenden Tempel 
am Fuße des Parnassos, wo die Göttin Themis 
Weissagungen erteilte. Betend fielen sie vor dem halb¬ 
zerstörten Altar der Göttin nieder und fleheten: 
„Sag' uns, o Themis, wie unser untergegangenes 
Geschlecht wiederhergestellt werden kann; gieb neues 
Leben der versunkenen Welt!" Die Göttin antwortete: 
„Gehet aus dem Tempel, umhüllet eure Häupter, 
löset die gegürteten Kleider und werfet dann die Ge¬ 
beine der großen Mutter hinter den Rücken!" 
Lange sannen beide nach über den Sinn des 
dunklen Götterspruches. Endlich deutete Deukalion: 
„Unsere große Mutter ist die Erde, ihre Gebeine sind 
die Steine; die sollen wir hinter uns werfen." 
Zwar setzten sie noch Zweifel in diese Auslegung; 
indessen den Versuch zu machen, konnte ja nicht schaden. 
Und so gingen sie denn weiter in das Thal hinab, 
verhüllten sich das Haupt, entgürteten ihre Kleider 
und warfen die Steine rückwärts. Da — welch ein 
Wunder! — begannen die Steine ihre Härte und 
Sprödigkeit zu verlieren: sie wurden geschmeidig, 
dehnten sich ans und nahmen mehr und mehr mensch-
	        
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