Object: Geschichte für evangelische Schulen (Nr. 4)

Der Weltkrieg 1914/17. 
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Tmppen unerwartet ihren obersten Kriegsherrn erblickten, umringten sie ihn jubelnd 
und gaben ihrem Stolz und ihrer Freude durch begeistertes Hurrarufen und durch den 
Gesang vaterländischer Lieder erhebenden Ansdmck. Der Kaiser dankte den Tapfern 
in einer markigen Ansprache für ihre glänzenden Leistungen. Der fliehende, über 
200 000 Mann starke Feind wurde auf der ganzen Linie sehr eifrig verfolgt, eingeholt, 
zum größten Teil eingeschlossen und gefangen genommen oder vernichtet. 
b) Kriegsschäden in Ostpreußen. Nach der großen Winterschlacht in Ostpreußen 
wurde die Grenze der Provinz im Osten und Süden durch Feldbefestigungen gesichert, 
so daß weitere Vorstöße der Russen ohne dauernden Erfolg blieben. Feindliche Tmppen- 
teile unternahmen zwar am 18. März unvermutet einen Raubzug gegen Memel, 
mißhandelten viele Bewohner und raubten aus den Kaufläden der Stadt und aus der 
Umgegend reiche Vorräte; aber schon nach zwei Tagen wurden sie vertrieben und er¬ 
litten auf der Flucht schwere Verluste. — Durch den Krieg hatte die Provinz Ost¬ 
preußen schwer gelitten. Nach amtlichen Feststellungen über die Kriegsschäden 
sind von den 2y4 Mill. Bewohnern etwa 2000 getötet oder verwundet und über 10700 
verschleppt worden. 24 Städte,'etwa 600 Dörfer, 300 Güter und 30 000 Gehöfte 
wurden zerstört und über 100 000 Wohnungen geplündert. Die Zahl der Flüchtlinge 
wird auf 400 000 geschätzt, von denen bis Juni 1915 etwa 200 000 in ihre Heimat zurück¬ 
gekehrt waren. In den von den Russen heimgesuchten Landesteilen fand man nach 
der Vertreibung der Feinde weder Pferde noch Vieh vor. Auch die Ackergeräte und 
landwirtschaftlichen Maschinen hatten die Russen über die Grenze geschafft. — Gleich 
nach der Befreiung Ostpreußens war die Landesregierung eifrig bemüht, die Kriegs¬ 
schäden zu heilen. Bis Mitte Juli gelangten an etwa 230 000 empfangsberechtigte 
Personen über 150 Mill. M als Vorentschädigung zur Auszahlung. Den Verlust 
von rund 90 000 Pferden suchte man durch Ankäufe aus Polen, durch Hergabe von 
Beutepferden und durch Überweisung von 5000 bayrischen Zugochsen nebst Geschirren 
zu decken. Mit Hilfe des Staates wurden 128 Kraftpflüge beschafft; die Kriegsverwal¬ 
tung überwies 12 Motorpflüge zur Beackeruug des Landes, und die Landwirtschafts¬ 
kammer stellte Saatgut und Düngemittel zur Verfügung. Auch aus anderen Provinzen 
gingen reiche Beiträge zur Linderung der Kriegsnot ein. So wurde es möglich, daß 
im Frühjahr bereits 200 000 ha Ackerland bestellt werden konnten; nur 40 000 ha blieben 
noch unbestellt. Für den Wiederaufbau der zerstörten Ortschaften in Ostpreußen ent¬ 
stand im ganzen Deutschen Reich eine lebhafte Bewegung. Es wurden zahlreiche 
Kriegshilfsvereine gegründet, denen auch die meisten Großstädte angehören. Jeder 
dieser Vereine übernahm die „Patenschaft" für eine bestimmte Stadt oder für die Ort¬ 
schaften eines bestimmten Kreises in der Absicht, den Gemeinden beim Wiederaufbau 
mit Rat und Tat hilfreich zur Seite zu stehen. 
c) Die Kämpfe in Nordwestrußland. Nach der Vertreibung der Russen aus 
Memel drangen unsere Truppen in Kurland ein, wo sie anfangs auf geringen Wider¬ 
stand stießen, so daß sie bereits Ende April in breiter Front die wichtige Eisenbahnlinie 
Libau—Dünaburg erreichten. Nach kurzem Gefecht bei Schaulen (Szawle) wurden 
die Russen zum Rückzüge in der Richtung Mitau gezwungen; zugleich erfolgte von 
Memel aus in nördlicher Richtung ein kräftiger Vorstoß gegen die Seestadt Libau, die 
am 8. Mai besetzt wurde und mit ihren großen Hafenanlagen, reichen Vorräten und 
vielen Fabriken einen' wichtigen Stützpunkt für weitere Unternehmungen bildete. Zur 
Flankensicherung gegen Vorstöße von der Festung Kowno her wurde die Bahnlinie 
Libau—Dünaburg gründlich zerstört. Danach zogen sich unsere Truppen in das günstige 
Gelände diesseits des Flüßchens Dubissa zurück, wo sie auch einem überlegenen Gegner
	        
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