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Kadmos aber fügte sich gehorsam dem Gebote
des Vaters und fuhr in die Welt hinaus. Zuerst
zog er in allen Ländern Asiens umher, die am Meere
liegen, und fragte, ob nicht irgendwo an der Küste
eine Jungfrau auf einem Stier gelandet wäre; aber
niemand hatte ein solches Wunder gesehen. Dann
setzte er nach Griechenland über und wanderte lange
suchend von Ort zu Ort, ohne von seiner Schwester
das Geringste zu erfahren. Endlich bot sich ihm eine
Aussicht, sichere Kunde einzuziehen. Er hörte, daß
in der Stadt Delphi am Fuße des Berges Par-
nassos — wo einst der Vater Deukalion sich aus
der grausigen Sündflut gerettet*) — ein Tempel sei,
in welchem der allwissende Gott Apollon Auskunft
über das Verborgene erteile. Diese Aussprüche des
Gottes wurden Orakel genannt und durch den Mund
einer Priesterin, die auf einem goldenen Dreifuß saß,
den Fragenden verkündet. Voll Verlangen nach einem
solchen Götterspruche, eilte Kadmos nach Delphi,
brachte dem Apollon ein Opfer, damit er ihm gnädig
wäre, und fragte nach seiner Schwester. Der Gott
antwortete ihm: „Nach Europa suche nicht länger;
sie ist des Zeus Gattin geworden, der sie dir nimmer
herausgeben wird. Weil du aber ohne sie nicht zu
deinem Vater zurückkehren darfst, so bleibe in Griechen¬
land. Du wirst auf einsamer Au ein Rind treffen,
das noch kein Joch getragen und an keinem Pfluge
gezogen hat. Auf beiden Seiten des Rückens zeigt
*) Nr. 2, S. 5 ff.