Full text: Geschichte von Mainz und Umgegend

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22. Heinrich Frauenlov. 
1260—1318. 
1. Heinrich von Meißen, genannt „Frauenlob", wurde zu 
Meißen in Sachsen geboren und in der dortigen Domschule erzogen. 
Später zog er als „fahrender Sänger" von Land zu Land. Wo die gast¬ 
lichen Räume einer Ritterburg winkten, machte er Halt, und jedesmal 
wurde der freundliche Sänger gern aufgenommen. Reichliche Gaben 
lohnten seine Kunst. Auch das Schwert verstand unser Sänger zu 
führen; im Jahre 1278 war er bei Kaiser Rudolfs Heer auf dem 
Marchfelde. In Prag wurde er sogar zum Ritter geschlagen. Wegen 
der Gesänge, die er zum Lobe der Frauen dichtete, erhielt er den 
Namen „Frauenlob". 
2. In seinen späteren Lebensjahren ließ sich Frauenlob in dem 
gastlichen, fröhlichen Mainz nieder; dadurch wurde Mainz ein Haupt¬ 
sitz der deutschen Dichterschulen. Alljährlich fanden hier Versammlungen 
der Meistersinger statt die man Meistersingerschulen nannte. Den 
Bürgern gefielen die Erzeugnisse der Sänger, und sie bereiteten 
ihnen ein gastliches Heim. Insbesondere war Frauenlob der Liebling 
des Volkes. Als er am Andreastage des Jahres 1318 starb, zogen 
die Frauen und Jungfrauen der Stadt, wie die Sage erzählt, in 
seine Wohnung, trauerten und weinten an seinem Sarge. Dann 
trugen sie die Leiche in feierlichem Zuge in den Dom, streuten Blumen 
auf das Grab und gossen' Wein darüber. Dieses Ereignis hat ein 
jüngst verstorbener Dichter also besungen: 
Wo sich zum Rheinesstrome Da war ein großes Klagen, 
Die Hügel ziehen hinab, Da haben all' geweint, 
Zu Mainz im alten Dome Und ihn zu Grab zu tragen 
Da ist ein Sängergrab. Die Frauen sich vereint. 
Dort unlerm Stein zu schauen 
Liegt Heinrich Frauenlob, Sie trugen zum Heiligtums 
Der um die holden Frauen Die vielgeliebte Last 
Des Sanges Goldnetz wob. Und streuten manche Blume 
In seine stille Rast, 
Weil er so hold gesungen, Und schütteten der Reben 
So treu bis in den Tod, Viel edle Tropfen draus; 
Sein Lied sich hingeschwungen Ihm blühten, wie im Leben, 
Wie letztes Abendrot. Im Tod noch Rosen auf. 
Heinrichs Werke sind geistliche Gedichte, Sprüche und Lieder. Er 
hatte eine hohe Meinung von seinem Können, singt er doch: „Was 
jemals Reinmar sang und der von Eschenbach, was Walter von der 
Vogelweide, ich, Frauenlob, besiege sie. Sie haben von dem Schaum 
gesungen, sie kannten nicht den Grund, doch meine Kunst geht auf 
des Kessels Grund; wer jemals fang und singet noch: ich bin fürwahr 
ihr Meister doch!" — Im Jahre 1774 wurde das Denkmal, das der 
Sage nach der Dichter von den Mainzer Frauen und Jungfrauen erhielt, 
durch einen unglücklichen Zufall zerbrochen. Es wurde wiederhergestellt. 
Ein neueres befindet sich ebenfalls im Kreuzgange des Domes. Frauen-
	        
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