100 Deutschland nach d. groß. Kriege. Brandend, v. d. Hohenzollern. §§138.139.
außerhalb der österreichischen Lande nur noch wenig, die Fürsten, denen
Ritterschaft und Städte meist erlegen waren, in ihren Gebieten alles.
Noch hatte der Kaiser viele geistliche Fürstentümer, seine letzte Stütze im
Reiche, dem alten Glauben erhalten, aber es war nur eine Frage der
Zeit, wann auch sie säkularisiert werden würden. Die Zukunft Deutsch¬
lands lag in den Händen der weltlichen Fürsten, die der Mehr¬
zahl nach evangelisch waren. Auch an den Höfen war der große Krieg
nicht spurlos vorübergegangen. Vorher meist frei von fremden Einflüssen,
hatten viele Fürsten in dem langen Kriege unter dem Drucke gewalttätiger
Heerführer und ihrer Horden ihren Stolz verloren und während der
Friedensverhandlungen, um Entschädigungen zu erhalten, vor Fremden
kriechen und schmeicheln gelernt. Im Hofe zu Paris sahen sie jetzt das
Musterbild eines Fürstenhoses und äfften nach, was dort geschah.
Ein Glück, daß gerade der evangelische Staat, der durch seine Lage
und Gestaltung, durch die Ausdehnung feiner Länder vom fernsten Osten
bis zum äußersten Westen Deutschlands dazu berufen war, ein neues
deutsches Reich zu gründen, am Ausgange des großen Krieges von einem
Fürsten regiert wurde, der weit über feine Standesgenofsen emporragte.
Er und seine Nachkommen haben Brandenburg-Preußen für feine
Aufgabe herangebildet.
§ 139. Die Vorgeschichte des brandenburgischen Staates.
A. Brandenburg vor den Hohenzollern. l. Die brandenburgifchen
* Marken (die Altmark, westlich von der Elbe, nördlich von Magdeburg;
die Priegnitz, zwischen der Elbe im Westen und Mecklenburg im Osten;
die Mittelmark, zwischen der unteren Havel und der Oder; die Ucker¬
mark, im Westen von Mecklenburg, im Osten von der Oder begrenzt;
die Neumark, östlich von der Oder) erwuchsen aus den Ansiedlungen
der Deutschen im Wendenlande zuerst unter den sächsischen Königen
Heinrich I. und Otto I., dann unter Lothar dem Sachsen und
Friedrich Barbarossa. Der Gründer des brandenburgischen Staates
1134—1170.war Markgraf Albrecht der Bär (§§ 50. 52), der kühne Sproß eines
Fürstengefchlechts, dessen Stammburg Askanien aus den nordöstlichen Vor¬
höhen des Harzes (nahe bei Aschersleben) gelegen war. Von der Nordmark
(Allmark) aus, die ihm der Kaiser Lothar 1134 verliehen hatte, unterwarf
er die Priegnitz und erhielt später burch Erbschaft von dem Wenden¬
fürsten Pribis la w auch das Havel land mit Brandenburg: er nannte
sich deshalb zuerst Markgraf von Brandenburg. Er war ein Mann
des Schwertes — ein niederdeutsches Volkslied stellt ihn neben „Hinrik
den Leuwen" und „Frederik mit dem roden Har" —, aber er verstand
nicht bloß mit kriegerischen Waffen zu erobern, sondern ebenso mit den
Waffen des Geistes und mit der Pflugschar. Die Glaubensboten, die
das Christentum in seinen Landen verbreiteten, fanden bei ihm die eifrigste
Unterstützung. Die Bistümer Havelberg und Brandenburg erstanden