Full text: Leitfaden zur Geschichte des deutschen Volkes

150 Preußens Lage. Der russische Feldzug. §§ 205. 206. 
schließen, sich mit Napoleon gegen Rußland zu verbinden. Der König 
mußte Truppen zum Feldzug stellen, mußte sein Land für den Durchzug 
der großen Armee, die Napoleon gegen Rußland in Bewegung setzte, 
öffnen und dabei deren Verpflegung übernehmen: so kamen denn die 
langen Rüstungen und die letzten Mittel des unglücklichen Landes dem 
Feinde zu nutze, und alle Hoffnungen schienen vereitelt. 
1812. § 206. Der russische Feldzug. 1812. l. Mit dem Frühling 
1812 begannen sich ungeheure Heeresmassen durch Deutschland gegen 
Rußland zu wälzen. Es waren Truppen fast aller Völker Europas, über 
600 000 Mann, darunter an 200 000 Deutsche. Von ihnen bildeten die 
Österreicher, 30 000 Mann stark, unter dem Fürsten Schwarzenberg 
ein selbständiges Hilfskorps, das von Galizien in das südliche Rußland 
vordringen sollte; dagegen nahmen die Preußen, 20 000 Mann, als ein 
Teil der Armee des französischen Marschalls Macdonald ihren Marsch 
nördlich in die russischen Ostseeprovinzen. Das Hauptheer, Franzosen, 
Rheinbündner, Italiener, Polen, wollte der Kaiser selbst in das Herz 
Rußlands hineinführen. Vorher versammelte er noch in Dresden um 
sich und feine Gemahlin Marie Luise, die ihm ein Jahr zuvor einen 
Erben seines Reiches, den „König von Rom", geboren hatte, die unter¬ 
worfenen Herrscher Europas und sonnte sich noch einmal im Glanze seines 
Ruhms und seiner Allmacht: dann eilte er seinen Truppen durch Ost¬ 
preußen nach und rückte mit ihnen über die russische Grenze. 
2. Doch hier fanden die Franzosen nicht die reichen Dörfer und frucht¬ 
baren Gefilde wie bei ihren früheren Kriegen in Italien und Deutschland: 
jetzt führte ihr Weg durch wenig bevölkerte, einförmige, nur mit öden Kiefern¬ 
wäldern bestandene Ebenen. Anhaltenden Regengüssen folgte brennende 
Sonnenglut. Das Heer litt trotz der umfassendsten Vorbereitungen bei 
der Schnelle des Vormarsches bald empfindlichen Mangel, und Zucht und 
Ordnung begannen sich zu losen. Die Russen wichen, ohne eine Schlacht 
anzunehmen, weiter und weiter in das wüste Innere ihres unermeßlichen 
Landes zurück. Napoleon folgte. Smolensk fiel in feine Hand. Mit 
wilder Hast rückte er weiter auf die alte, heilige Hauptstadt des Landes, 
auf Moskau zu, gleich als hinge an feiner Einnahme der Sieg; da stellten 
sich ihm die Russen unter Kutusow an der Moskwa zur Schlacht. Es 
war ein furchtbares Ringen, aber die Russen mußten endlich doch weichen. 
Mit kaum noch 100 000 Mann rückte Napoleon am 14. September in 
Moskau ein: er glaubte sich am Ziele feiner Wünsche. 
Aber er fand die Stadt von ihren Bewohnern verlassen, und kaum 
hatten sich die Truppen in den leeren Häusern einquartiert, da brach — 
nach der gewöhnlichen Ansicht von Rostoptschin, dem Generalgouverneur 
von Moskau, veranlaßt — ein furchtbarer Brand aus, der den größten 
Teil der Stadt vernichtete und dem Heere, das auf Ruhe und Erholung 
gehofft hatte, neue große Beschwerden brachte. Zwar hat er auf den
	        
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