30 Auflösung des Karolingerreichs. Die letzten Karolinger. §§ 31. 32.
Mähren und noch schlimmerer Feinde, der Magyaren oder Ungarn.
Dre gefährlichsten Feinde aber waren die Nordmannen (Normannen)
die Bewohner Dänemarks und Skandinaviens, die als kühne Seeräuber
die Küsten Englands, Deutschlands und Frankreichs verheerten, mit ihren
leichten Schiffen in die Flußmündungen einliefen und bis tief in das
Land hinein raubten und brannten'). Hilfe aus solcher Not erhoffte man
von Ludwigs des Deutschen Sohn Karl III. (876—887, f 888). Er
beherrschte erst mit seinen beiden Brüdern (s. d. Stammtafel § 29 Anm.)
zusammen, dann nach deren Tode allein (seit 882) Ostfranken und wurde
später (884) auch von den westfränkischen Großen zum König gewählt.
Aber schwächlich und schwerfällig an Geist und Körper, wie er war, zog
er es vor, statt die Normannen zu bekämpfen, Verträge mit ihnen zu
schließen, ja ihnen schimpflichen Tribut zu zahlen. Da setzten ihn die
deutschen Großen ab und koren seinen Neffen Arnulf von Kärnten
zu ihrem König (887). Auch die Westfranken sagten sich von Karl los
und gaben einem tapferen Kriegsmanne die Krone. Wohl sind dann in
Frankreich die Karolinger wieder zur Herrschaft gelangt, aber 987 er=
losch ihr Geschlecht. Das Haus Hugo Capets trat in Frankreich an
ihre Stelle.
§ 32. Die letzten Karolinger in Deutschland. König Konrad I.
-889.1. Zn Arnulf von Kärnten (88^-899) schien die Heldenkraft Karls
des Großen noch einmal aufzuleben. Er besiegte erst die Normannen
bei Löwen an der Dyle (891) und kämpfte dann gegen die Mähren,
freilich ohne sie unterwerfen zu können. In Italien erhielt er die
Kaiserkrone. Eine Zeitlang schien es, als wäre es ihm beschickn, wieder
ein mächtiges Karolingerreich, freilich ohne Frankreich und die neu ent¬
standenen Königreiche Niederburgund (an der unteren Rhone) und
Hochburgund (zu beiden Seiten des Schweizer Jura), wiederherzustellen.
Aber auch von ihm wandte sich zuletzt das Glück. Als er starb, hinter-
-911. blieb nur ein unmündiger Sohn, Ludwig das Kind. Wahrscheinlich
würden sich jetzt die Herzöge, die sich in den unruhigen Zeiten überall
aus den großen Geschlechtern der einzelnen Stämme emporschwangen,
ganz selbständig gemacht haben, hätte nicht die hohe Geistlichkeit die
Zersplitterung des Reichs verhindert. Das Volk freilich, das für die Herzöge
Partei nahm, dankte ihr das übel, und namentlich gegen den willensstarken
und strengen Erzbischof Hatto von Mainz, den Führer der Geistlichkeit,
richtetesich seine Abneigung; noch heute klingt sie uns aus gehässigen Sagen ent-
*) Später gründeten sie eigene Reiche. An der Mündung der Seine ward
ihnen 911 ein Herzogtum eingeräumt, die nach ihnen genannte Normandie.
Von hier aus haben sie dann bald nach 1000 Süditalien und Sizilien
besetzt und 1066 unter ihrem Herzog Wilhelm dem Eroberer auch England
unterworfen. Von ihrer nordischen Heimat aus hatten sie sich schon 862
unter Rurik in Rußland festgesetzt.