Full text: Leitfaden für den Unterricht in der Geschichte

60 Volkstribunen. Coriolan. 
ihnen die Freilassung der Schuldknechte, Nachlaß der Schulden für die Ärmeren, 
billigeren Zinsfuß und Wahrung der Rechte der Plebejer durch eigene und 
unverletzliche (sacrosanctl) Obrigkeiten zugestehen, und nun erst kehrten die 
Ausgewanderten nach Rom zurück. Diese plebejischen Obrigkeiten waren die 
Volkstribunen, tribuni plebis, deren zuerst zwei, bald darauf fünf, seit 
457 zehn gewählt wurden. Sie durften nur aus den Plebejern gewählt werden 
und wurden anfangs in den Centuriatkomitien ernannt. Da aber auf diese 
Weise ihre Wahl zum Theil in den Händen der Patricier lag, so erhob sich 
dagegen Publilius Volero und setzte es durch, daß die Plebejer ihre Tribunen 
471. tn den Tribusversammlungen wühlten. Als Lenker dieser Tributkomitien be¬ 
nützten sie dieselben zur Vermehrung ihrer Macht. Feindselige Patricier wur¬ 
den von ihnen dort angeklagt und zur Verurtheiluug gebracht, über öffent¬ 
liche Angelegenheiten Beschlüsse gefaßt und die Patricier zuletzt genöthigt, die 
allgemeine Verbindlichkeit dieser Beschlüsse für das ganze Volk anzuerkennen. 
Auch über den Senat erstreckte sich allmählich ihre Gewalt. Sie erhielten das 
Recht, jeden Senatsbeschluß, wenn er ihnen für die Plebejer nachtheilig erschien, 
durch ihr Veto (ich verbiete) rückgängig zu machen, zu welchem Zwecke sie 
anfänglich vor den Thüren der Rathsversammlung sitzend den Verhandlungen 
zuhörten. Später errangen sie die Befugniß, den Senat zu berufen und An¬ 
träge an ihn zu stellen. So wurde das Tribunat ein Mittel, um die bis¬ 
herige Verfassung umzustürzen und die Patricier ihrer Vorrechte zu berauben. 
Doch dauerte diese Arbeit fast 200 Jahre. Zugleich mit den Tribunen 
wurden die zwei plebejischen Ädiles eingesetzt. Diese bildeten eine 
richterliche und polizeiliche Behörde und hatten die Aufsicht über das Getreide¬ 
wesen, die Tempel (aedes) und die öffentlichen Spiele, jedoch nur, soweit bei 
all diesen Befugnissen es sich um das Interesse des Plebejerstandes handelte. 
Ebenso bedeutend für die äußere Geschichte, wie die Einsetzung des Tri¬ 
bunals für die innere, ist der zu gleicher Zeit erfolgte Abschluß eines Trutz- 
und Schutzbündnisses zwischen den Römern und Latinern (30 latinischenStädten), 
an welches sich verschiedene gegenseitige Rechte beider Völkerschaften, in religiöser 
und wirtschaftlicher Beziehung, knüpften. 
§. 45. 
490. Coriolan 
Da wegen der vielen Kriege mit den Volskern und andern Völkerschaften 
die Felder nicht gehörig bebaut werden konnten, so entstand in Rom große 
Hungersnoth. Die Konsuln ließen in Etrurien und Sicilien Getreide auf¬ 
kaufen, und es handelte sich darum, ob man dasselbe unentgeltlich oder zu 
welchen Preisen an die ärmeren Plebejer abgeben solle. Der schon in der 
Schlacht am See Regillus und nachher durch die Eroberung der volskischen 
Stadt Corioli berühmt gewordene Patricier Cajus Marcius Coriolanus 
verlangte, wie die römische Sage lautet, im Senat, daß man den Plebejern 
nur dann wohlfeiles Brot abgeben solle, wenn sie ihren errungenen Rechten 
und Freiheiten, also namentlich dem Tribunat, entsagten. Deßwegen forderten 
ihn die Tribunen zur Rechtfertigung vor die Tributkomitien. Er erschien nicht, 
wurde verurtheilt und gieng zu den Volskern nach Antium, wo A11 i u s 
Tullus, ein alter Römerfeind, Prätor war. Von diesem wurde er gast¬ 
freundlich aufgenommen und suchte Gelegenheit. die Volsker wieder in Krieg 
mit den Römern zu verwickeln. Diese fand sich bald. Die römischen Konsuln
	        
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