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zuschränken. Krieg! rief der Edelmann und Landbesitzer, der verarmt
war; Krieg! der Bauer, der sein letztes Pferd unter Vorspann und
Fuhren tot trieb; Krieg! der Tagelöhner, der keine Arbeit finden
konnte; Krieg! die Witwe, die ihren einzigen Sohn ins Feld schickte;
Krieg! die Braut, die den Bräutigam zugleich mit Thränen des Stolzes
und des Schmerzes entließ. Jünglinge, die kaum wehrhaft waren,
Männer mit grauen Haaren und wankenden Knieen, Offiziere, die
wegen Wunden und Verstümmlungen ehrenvoll entlassen waren, reiche
Gutsbesitzer und Beamte, Väter zahlreicher Familien und Verwalter
weitläufiger Geschäfte, in Hinsicht jedes Kriegsdienstes entschuldigt,
wollten sich selbst nicht entschuldigen; ja sogar Jungfrauen drängten
sich in Männerkleidung zu den Waffen; alle wollten sich üben, rüsten
und für das Vaterland streiten oder sterben. Jede Stadt, jeder Flecken,
jedes Dorf schallte von Kriegslust und Kriegsmusik und war in einen
Übnngs- und Waffenplatz verwandelt; jede Feueresse ward eine Waffen¬
schmiede. Alle Unterschiede von Ständen und Klassen, von Altern und
Stufen waren vergessen und aufgehoben; jeder demütigte sich und war
bereit zu beui Geschäfte und Dienste, zu dem er der brauchbarste war.
Die Menschen fühlten es, sie waren gleich geworden durch das lauge
Unglück, sie wollten auch gleich sein im Dienste und im Gehorsam.
Die heilige Begeisterung dieser unvergeßlichen Tage ist durch feine
Ausschweifung und Wildheit entweiht worden; es war, als fühle auch
der Kleinste, daß er ein Spiegel der Sittlichkeit, Bescheidenheit und
Rechtlichkeit sein müsse, wenn er den Übermut, die Unzucht und Prahlerei
besiegen wollte, die er an den Franzosen so sehr verabscheut hatte.
Was die Männer so unmittelbar unter den Waffen und für die Waffen
thaten, das thaten die Frauen durch stille Gebete, brünstige Ermahnungen,
fromme Arbeiten, menschliche Sorgen und Mühe für die Ausziehenden,
Kranken und Verwundeten."
102* Die Schlacht vei Leipzig und die Siege
itt Frankreich.
1. Die Verbündeten standen in drei gewaltigen Heerhaufen Na¬
poleon gegenüber: Die Hauptarmee in Böhmen unter dem Befehle
des östreichischen Feldmarschalls Schwarzenberg, die schlesische Armee ant
Riesengebirge hinter der Katzbach unter dein Befehle des preußischen
Feldmarschalls Blücher und die Nordarmee unter dem Befehle des Kron¬
prinzen von Schweden mitten in der Provinz Brandenburg. Nach vielen
blutigen und gewaltigen Schlachten, von denen besonders Die an der
Katzbach berühmt geworden ist, zogen sich die Heere der Verbündeten
in der Gegend von Leipzig zusammen. Napoleon hatte Dresden ver¬
lassen und war gegen die Mulde und Pleiße hinabgezogen. Am
15. Oktober stießen die großen Heere zuerst aufeinander; es waren