Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten

232 Die Neuzeit. 
nur der französischen Sprache.) Kein Gespräch war so gründlich, sie vermochte 
zu folgen. Durch ihr unaufhörliches Fragen brachte sie sogar Leibnitz oft in Ver¬ 
legenheit, so daß dieser von ihr sagte, sie frage nicht nur nach dem „Warum" 
sondern nach dem „Warum des Warum?" Sophie Charlotte starb zu Hannover 
erst 37 Jahre alt. — Der Einfluß der Fürstin, zunächst auf die höheren Kreise 
Berlins, von dort aus aber weiter auf die Provinzen, ist ein segensreicher gewesen. 
Ihr großer Enkel, Friedrich der Große, fagt: „Diese schöne und geistreiche Fürstin 
£'rrbiLb!e "ähre und gesellschaftliche Feinheit und die Liebe zu den Künsten 
und Wissenschaften nach Brandenburg und Geist und Würde in die von ihrem 
Gemahle so sehr geliebte Etikette (Hofsitte) brachte." 
Friedrich I. starb im Jahre 1713. Friedrich der Große sagt von 
ihm: „Mit dem von ihm begründeten Königtnme tritt er gleichsam vor 
seine Nachfolger mit der Mahnung: Ich habe euch einen Titel erworben; 
macht euch dessen würdig. Ich habe den Grund zu eurer Größe gelegt; 
ihr müßt das Werk vollenden." Die Krone wurde bald ein Ring, der 
sämtliche preußische Staaten umschloß. Es gab keine Kurmark Branden¬ 
burg, kein Herzogtum Kleve mehr, sondern die einzelnen Landschaften 
gewöhnten sich daran, nach dem Titel ihres Königs sich „Preußen" 
zu nennen. Die Wappen der einzelnen Herzogtümer räumten dem preu¬ 
ßischen Adler das Feld; das Heer hieß das königlich preußische und 
führte in seinen Fahnen den preußischen Adler. 
33. Friedrich Wilhelm L; 1713—1740. 
a. Jugendleben; Heirat; Regierungsantritt. Friedrich Wilhelm 
wurde im Todesjahre des großen Kurfürsten zu Berlin geboren. Er 
war ein ungewöhnlich kräftiges Kind. Seine erste Erziehung ward der 
Frau von Rocoulles (spr. Rokul), einer geachteten französischen 
Protestantin, übertragen: aber der eigenwillige Prinz machte ihr viel 
zu schaffen. Einst drohte sie ihm, sür seine Unart ihm das Frühstück 
entziehen zu wollen. Sowie sie ins Nebenzimmer ging, öffnete er das 
Fenster, kletterte auf die äußere Brüstung — es war im dritten Stock — 
und drohte, hinunterzuspringen, wenn ihm nicht sofort sein Frühstück 
gebracht würde. Die geängstigte Frau mußte wohl nachgeben. Ähnliche 
Auftritte überzeugten die Eltern von der Notwendigkeit, ihrem Sohne 
einen Mann zum Erzieher zu geben. In der Vorschrift, welche derselbe 
von dem Könige erhielt, heißt es: „Insonderheit muß der Kronprinz 
von der Majestät und Allmacht Gottes wohl und dergestalt informiert 
werden, daß ihm allezeit eine heilige Furcht und Verehrung vor Gott 
und dessen Geboten beiwohne." Der Kronprinz blühte zu einem gesunden, 
kräftigen und schönen Knaben empor, seine geistige Entwickelung aber 
entsprach nicht den Wünschen der Eltern. Seine Lehrer wußten ihm 
die Wissenschaften nicht lieb zu machen; Geschmack sür Kunst und feinere
	        
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