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v. Chr.
58 Das Altertum.
wegen der vielen Leichen nicht von der Stelle gerückt werden. Der König
sprang heraus, ließ Mantel, Schild und Bogen zurück, warf sich auf sein
Pferd und entfloh. Seine Mutter, feine Gemahlin, zwei Töchter und
ein unmündiger Sohn fielen in die Hände des Siegers.
Nach dieser Schlacht wollte Darms, um Frieden zu erlangen, dem
Sieger fein halbes Reich abtreten, für die Befreiung der hohen Gefange¬
nen ein unermeßliches Löfegeld zahlen und ihm feine Tochter zur Ge¬
mahlin geben. „Was meinst du dazu?" fragte Alexander feinen Freund
Parmenio. „Ich würde es thun," antwortete er, „wenn ich Alexander
wäre." — „Ich auch," erwiderte dieser, „wenn ich Parmenio wäre," und
wies den Antrag zurück. Unbekümmert um Darius zog er längs der
Meeresküste nach Süden. Die einzelnen Städte unterwarfen sich ihm
bereitwillig; nur die Jnfelftadt Tyrus widerstand. Alexander ließ einen
breiten Damm bis an die Stadt bauen; schon war derselbe fast fertig,
als ein heftiger Sturm einen großen Teil wieder fortfpülte. Der König
ließ sich dadurch nicht entmutigen; mit verdoppelter Anstrengung ward
die Arbeit fortgefetzt, und bald war die Insel erreicht. Jetzt begann die
Belagerung der Stadt, während die Flotte sie von der Seefeite einschloß;
aber erst nach 7 Monaten fiel die Stadt. Sie wurde verbrannt; viele
Einwohner hatten sich rechtzeitig nach Karthago gerettet, aber 2000
wurden gekreuzigt und 30000 als Sklaven verkauft. Hierauf durchzog
Alexander siegreich Palästina und besetzte Jerusalem. Als ihm die
Priester feierlich entgegenzogen, verschonte Alexander die Stadt. Er soll
sogar an der Hand des Hohenpriesters in den Tempel gegangen sein
und geopfert haben. Dann legten ihm die Priester die Weissagung des
Propheten Daniel (Kap. 8 u. 11) vor; er beschenkte sie reichlich und ge¬
stattete ihnen, frei nach ihren Gesetzen zu leben. Nach Erstürmung der
hartnäckig verteidigten Föstnng Gaza wandte sich Alexander nach Ägyp¬
ten, wo er als Befreier von der Perserherrschaft überall freundlich em¬
pfangen ward. An der Nilmündung legte er die Stadt Alexandria
an, die bald an Stelle des zerstörten Tyrus der Sitz des Welthandels
wurde. Auch besuchte er das in der libyschen Wüste gelegene Orakel
des Jupiter Ammon, wo ihn die Priester als einen Sohn Jupiters
begrüßten.
Im Frühling des folgenden Jahres kehrte Alexander durch Palästina
und Phönicien zurück. Darius wollte noch einmal sein Glück versuchen;
zwischen Arb ela und Gaugamela, nördlich von Babylon, hatte er ein
unermeßliches Heer ausgestellt. Vor der Schlacht riet Parmenio zu einem
nächtlichen Überfall, erhielt aber die Antwort: „Es geziemt dem Alexander
nicht, den Sieg zu stehlen." Am Morgen der Schlacht schlief Alexander
noch so fest, daß Parmenio ihn wecken mußte. „Herr," rief er, „du
schläfst ja, als hätten wir schon gesiegt!" „Haben wir denn das nicht,"
erwiderte der König, „da wir den Feind vor uns haben und ihn nicht
erst in Wüsten mehr auszusuchen brauchen?" Alexander griff an; die
Perser fochten wie verzweifelt, aber Alexanders Feldherrnknnft gewann