Der zweite punische Krieg; 218—201 v. Chr. 83
Wieder siegte er; die gallischen Völkerschaften Oberitaliens unterwarfen
sich ihm gern, und er überwinterte in der eroberten Provinz. Im
nächsten Frühjahr rückte er über die Apenninen in Mittelitalien ein.
Weil alle Zugänge dorthin besetzt waren, mußte er durch das Thal
des Arno eindringen; der ausgetretene Fluß hatte dasselbe aber weit¬
hin überschwemmt, so daß das Heer vier Tage und vier Nächte bis an
die Kniee im Wasser stehen mußte. Oft bildeten die Soldaten vom
Gepäck eine Lagerstätte, oder sie legten sich auf die gefallenen Lasttiere.
Den Pferden fielen die Hufe ab, Hannibal selbst büßte durch eine Ent¬
zündung ein Auge ein. Leidend, aber ungebeugt erreichte er die Höhe
der Apenninen, wo ihm ein starkes römisches Heer entgegenzog. Hannibal
lockte es in das enge, von hohen Bergen umgebene Thal am trasime- 217
nischen See und erfocht den dritten Sieg. Mit den erbeuteten treff- G§r-
lichen römischen Waffen rüstete er sein Fußvolk aus. Hannibal erwartete
Hilfstruppen aus Spanien; deshalb zog er nicht ans Rom, sondern am
adriatischen Meere entlang nach Süditalien, wo er sich mit Karthago
in Verbindung setzte.
Die Römer ernannten jetzt Quintus Fabius, einen bejahrten,
allgemein geehrten Mann, zum Diktator. Dieser beschloß, den Krieg
nur verteidigungsweise zu führen und so lange als möglich eine Schlacht
zu vermeiden. Vorsichtig zog er mit seinem Heere auf den Bergen hin,
indem er den Feind im Auge behielt und ihm fortwährend zur Seite
blieb. Die römischen Soldaten, unmutig über dieses „müßige Hin- und
Herziehen in den Wolken", schalten ihren Feldherrn feige und nannten
ihn spöttisch den Zauderer oder Kunktator. Fabius gelang es endlich,
Hannibal mit seinem Heere in einem Thalkessel einzuschließen; doch eine
List rettete diesen. Er ließ 2000 Ochsen Reisigbündel zwischen die Hörner
binden, zündete abends die Bündel an und jagte die dadurch wild ge¬
wordenen Tiere hinauf gegen die Höhen. Die Römer glaubten, daß
der Feind dort mit Windlichtern abmarschiere, und als sie an den schein¬
bar bedrohten Punkt eilten, rettete sich Hannibal mit seinem ganzen
Heere. Als der kühne Unterbefehlshaber Minucius darauf einen kleinen
Vorteil über die Karthager gewann, ward ihm gleicher Anteil an dem
Oberbefehl gegeben. Fabius teilte mit ihm das Heer. Voll Freude
eilte Minucius mit der ihm zugefallenen Heeresabteilung hinab in das
Thal und fiel in einen Hinterhalt des Hannibal, der schon lange auf
den Unbesonnenen lauerte. Zum Glück kam Fabius ihm zu Hilfe und
kehrte mit den Geretteten auf die sicheren Höhen zurück. „Dacht7 ich's
doch," rief Hannibal ärgerlich, „daß die Wolke auf den Bergen uns
ein Unwetter bringen werde." Von nun an wurde der Schimpfname
des Fabius, „Kunktator", ein Ehrenname. Minucius trat freiwillig
wieder unter den Befehl des Fabius.
tl. Schlacht bei Kannä. Um die Erntezeit des Jahres 216 zog
Hannibal nach Apulien und lagerte sich in der Ebene von Kannä.
Die Römer rüsteten zu seiner Vernichtung ein neues gewaltiges Heer
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