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lichen Ehrenrechte befindet und keine öffentliche Armenunterstützung
genießt. Sie üben bei der Gerichtsverhandlung das Richterarnt im
vollen Umfange und mit gleichem Stimmrecht wie die gelehrten Richter.
Jeder Ortsvorsteher hat alljährlich ein Verzeichnis der in seiner Ge¬
meinde wohnhaften Personen, welche zum Schöffenamte berufen werden
können, aufzustellen und an den Amtsrichter zu schicken. Nach diesem
Verzeichnis werden dann Schöffen und Geschworne gewählt. Das Ver¬
zeichnis muß in der Gemeinde eine Woche lang zu jedermanns Einsicht
ausliegen.
126. Das Haus.
1. Als einzelnes Gehöfte, in einem geschlossenen Dorfe, oder in¬
mitten einer Stadt liegt das deutsche Haus der Gegenwart. Fest
gegründet erhebt es sich ein oder mehrere Stockwerk hoch. Das Dach
ist gewöhnlich mit Ziegelsteinen, Schiefer oder Platten bedeckt. In den
meisten Fällen ist es ein freundlicher, anheimelnder Bau, sei er nun
aus Holz und Steinen als Fachbau oder nur aus Steinen als Massivbau
errichtet. Je nach der Lage ist das Haus mit einem großen Obst- und
Gemüsegarten, Ackern und Wiesen, einem kleinen Blumengärtchen
oder auch nur von Straßen und Nachbarhäusern umgeben. Ebenso
freundlich und anheimelnd, als es sich von außen anläßt, ist es innen
eingerichtet. Keller und Küche, Stuben und Kammern, Bodenräume
und Speicher wechseln miteinander ab und entsprechen den verschieden¬
artigen Bedürfnissen. Hohe, spiegelblanke Fenster lassen Licht und
frische Luft in die Räume und führen schädliche Dünste daraus fort.
Wohleingerichtete Öfen verbreiten in der rauhen Jahreszeit eine
behagliche Wärme, ohne daß Rauch oder giftige Gase die Bewohner
belästigen. Bunte Tapeten oder farbige Tünche bekleiden die Wände
und erfreuen das Auge durch ihre mannigfache Bilderei, während ein
mit Dielen belegter Fußboden dem Fuße festen Halt giebt und dem
Eindringen des Schmutzes wehrt. Allerlei Geräte zu Nutz und Zierde
füllen die Räume und ermöglichen den Bewohnern ein bequemes Dasein
und schickliches Benehmen in ihren täglichen Verrichtungen.
2. Die verschiedenen Gegenden haben, wie in der Urzeit, ihre
unterschiedlichen Eigentümlichkeiten im Baue. Weit ausgedehnt und
mit vielen Gebäuden besetzt ist der Hof des Heidebauern in der Ebene,
während hoch geständert, Grund und Boden sparend, sich des Berg-
bauern und Stadtbewohners Haus erhebt. Mancherlei Künste haben
miteinander gewetteifert, und die verschiedensten Materialien haben in
den Dienst des Menschen treten müssen, um es so wohnlich und be¬
haglich zu gestalten. Ein Haus ist jetzt aber auch ein wertvoller
Schatz, dessen Verlust nicht leicht zu ersetzen ist und großes Weh über
eine ganze Familie bringen könnte, wenn der Besitzer allein in der
Gefahr stünde. Leicht rafft eine Feuersbrunst schnell dahin, was
Menschenhand langsam und mühevoll errichtet hat. Aber der Einzelne
steht nicht allein; er ist ein Glied der Gemeinschaft; sobald ihm
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