— 2 —
den nötigen Lebensmitteln zu versorgen. Auf der Westseite der
Stadt lag die Königsburg, von dreifachen Ringmauern ein¬
geschlossen, innerhalb welcher viele, mit den mannigfaltigsten
Bildwerken bedeckte Palastgebäude aufgeführt warnt. Im öst¬
lichen Stadtteile erhob sich der noch weit merkwürdigere Belns-
tempel mit dem ans der Bibel bekannten. 180 Meter hohen,
ans acht übereinander gesetzten Türmen bestehenden „babylo¬
nischen Turme". Auswärts um denselben wand sich eine
Treppe bis zum obersten Stock, welcher das nur mit einem Altar
versehene heilige Gemach des Bel enthielt, während man die
goldene Bildsäule des Gottes in den zum Opfern bestimmten
unteren Tempelräumen erblickte.
Auf dem linken Ufer des Tigris, dem heutigen Mosul
gegenüber, lag die assyrische Hauptstadt Niuus oder Ninive.
Sie hatte den gleichen Umfang wie Babel und war ebenfalls
in einem Viereck erbaut, wovon die längeren Seiten je 150, die
kürzeren je 90 Stadien betrugen. Eine Ringmauer von 30 Meter
Höhe und von solcher Breite, daß drei Wagen nebeneinander
fahren konnten, machte in Verbindung mit 1500 Türmen von
60 Meter Höhe ihre gewaltige Schutzwehr aus. Im Innern
der Stadt befanden sich großartige Paläste mit vielen ineinander
laufenden Gemächern, Sälen, Hallen und Gängen, die Wände
mit reichem Bildwerk geschmückt, das noch in seinen Überresten
von den Thaten, Sitten und Lebensgewohnheiten des assyrischen
Volkes Kunde giebt. Darstellungen von Schlachten und Siegen,
von Jagdabenteuern und religiösen Ceremonien waren in Alabaster
oder Gips gehauen, und darunter standen in glänzenden Buch¬
staben Inschriften, welche dem Beschauer die einzelnen Scenen
erklärten. Die Eingänge zu den Prachtgebäuden aber wurden
von kolossalen Tier- und Menschenfiguren, von geflügelten Stieren
und Löwen bewacht, und die Dächer zeigten sich mit Gold- und
Silberplatten und mit Schnitzwerk aus feinem Holz oder Elfen¬
bein geziert.
Die Babylonier waren ein weichliches, wollüstiges Volk,
das in der Bequemlichkeit und in der Befriedigung der sinn¬
lichen Triebe das höchste Lebensglück sah. Trotz des heißen
Klimas trugen sie ein dreifaches Gewand, erst ein leinenes Hemd,
dann einen wollenen Rock, der um die Lenden durch einen Gürtel
zusammengehalten war, und darüber einen kurzen weißen Mantel.
Sie salbten den ganzen Leib mit Myrrhen, und das mit einer
Binde umwundene Haar ließen sie lang herabhängen. Jeder
führte einen Siegelring und einen künstlich geschnitzten Stab,
den oben ein Apfel, eine Rose, ein Adler oder ein sonstiger
Zierat schmückte. In ihren Häusern hatten sie Teppiche von
bunten Farben mit eingewebten Figuren von allerlei Wunder-