Full text: Altertum und Mittelalter (1)

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Jammer zu, bis er endlich noch vor erlangter Mannesreife ins 
Grab sank — der letzte Karolinger auf deutschem Boden. 
In Westfranken oder Frankreich schleppte das entartete 
Geschlecht Karls des Großen sein klägliches Dasein etwa acht 
Jahrzehnte länger hin. Anch hier löste sich die Gesamtmonarchie 
in viele einzelne Teile aus, von denen sich jeder seinen eigenen 
Herrn gab und in größerer oder geringerer Selbständigkeit zu 
behaupten wußte. So geschah es in Francien, in Aquitanien, 
in der Bretagne und in verschiedenen anderen Landschaften, so 
geschah es namentlich auch in Hochburgund (Frauche-Comtö 
und die westliche Schweiz), wo der Welfe Rudolf ein un¬ 
abhängiges Königreich gründete. Auf den durch Karls des Dicken 
Absetzung erledigten Thron wurde zuerst der Graf Odo von 
Paris und dann der nachgeborene Sohn Ludwigs des Stamm¬ 
lers, Karl der Einfältige, gehoben. Aber weder dieser 
noch jener vermochte bei der'Unbotmäßigkeit der Vasallen und 
bei der allgemeinen Verwirrung seiner Herrschaft froh zu werden, 
und um sich wenigstens vor den äußeren Feinden Ruhe zu 
verschaffen, überließ der letztere den unaufhörlich einfallenden 
Normannen das Land an der unteren Seine (die Nor- 
912 man die) und verlieh ihrem Führer Rolf, der in der Taufe 
den Namen Robert empfing, die erbliche Herzogswürde. Seine 
Krone konnte indes Karl dadurch nicht sichern, er verlor sie 
schon wenige Jahre später an den Herzog Robert von 
Francien, den Bruder Odos, und die Söhne und Enkel 
des Gestürzten, welche dieselbe zurückgewannen, hatten nicht 
minder unter der Ungunst des Geschickes und unter den 
Folgen ihrer eigenen Unfähigkeit zu leiden. So kam das 
Jahr 987 heran, in welchem der letzte karolingische Herrscher, 
087 Ludwig V, starb und Hugo Capet, der Enkel des oben 
genannten Robert von Francien, den Thron bestieg, um ihn 
ohne Unterbrechung auf seine Nachkommen, die Capetinger, 
fortzuerben. Zwei noch lebende Sprößlinge des einst so ruhm¬ 
reichen und doch so ruhmlos untergegangenen Hauses beschlossen 
ihre Tage im Kerker. 
§ 88. Staat und Kirche in der Karolingerzeit. Wie im 
alten Germanien gab es auch im Frankenreiche Freie und 
Unfreie. Nur die ersteren konnten Grundeigentum erwerben 
und am Gerichte und an der Volksversammlung teilnehmen; 
sie waren zur Heeresfolge verpflichtet, zahlten aber keinerlei 
Steuern, außer einem freiwilligen jährlichen Geschenk an den 
König. Die Unfreien schieden sich in zwei Klassen, in die 
Leibeigenen, welche von ihren Herren verkauft oder getötet 
werden konnten, und in die Hörigen oder Zinsbauern, welche 
das fremde Feld gegen Abgaben und Dienste bestellten und
	        
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