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Neuordnung des Heeres waren größere Geldmittel erforderlich, die vom
Abgeordnetenhause zuerst nur vorübergehend bewilligt, dann aber beständig
abgelehnt wurden, weil der größere Teil der Volksvertretung von der
Notwendigkeit der Verbesserung und Vergrößerung des Heeres sich nicht
überzeugen ließ. Tief betrübt über diesen Zwiespalt mit seinem Volke,
war der greise König nahe daran, abzudanken und die Regierung seinem
Sohne zu überlassen. Auf den Rat seines Kriegsministers von Roon
berief er den preußischen Gesandten am französischen Hofe, den Herrn
von Bismarck, am 23. September 1862 an die Spitze des Ministeriums.
c) Otto vou Bismarck (s. Abbild. 22) ist als Sohn des Rittmeisters
von Bismarck am 1. April 1815 auf dem Gute Schönhausen in der Altmark
geboren. Nachdem er zuerst auf einer sehr angesehenen Privatschule in Berlin
und dann auf einem Gymnasium ebendaselbst vorgebildet war, studierte
er auf den Hochschulen Göttingen, Greifswald und Berlin Rechtswissen¬
schaft, besonders in Göttingen war er wegen seiner tollen Studenten¬
streiche bekannt. Nach der ersten Staatsprüfung trat er eine Zeitlang in
den Staatsdienst ein, verließ ihn jedoch bald wieder, um die Verwaltung
des väterlichen Gutes in Pommern zu übernehmen. Mit dem Tode des
Vaters wurde er Besitzer des Gutes Schönhausen. Seine Gutsnachbarn
wählten ihn zum „Deichhauptmann", eine Stellung, die einen ganzen
Mann erforderte, galt es doch, die Elbe vom Übergreifen auf die an¬
liegenden Fluren abzuhalten und in ihre Ufer zurückzudämmen; in den
Zeiten mancher Überschwemmung hat Herr von Bismarck den Kampf
tapfer gegen die Elemente geführt. Im Jahre 1847 wurde er als Ab¬
geordneter in den Vereinigten Landtag zu Berlin gewählt, wodurch ihm
Gelegenheit gegeben wurde, in das öffentliche Leben zu treten. Als un¬
bedingt königstreuer Edelmann wandte er sich mit aller Schärfe der Rede
gegen diejenigen im Landtage, die die Macht des Königs einschränken
wollten; dadurch brachte er sich in den Ruf eines hochmütigen, volks¬
verachtenden Junkers.
Im Jahre 1851 schickte ihn der König als Bundestagsgesandten
nach Frankfurt. Die Tätigkeit hier änderte vieles in seinen Anschauungen
über die deutschen und die preußischen Verhältnisse. Er kam als Freund
Österreichs; doch bald wurde ihm klar, daß die Herrschaft dieses Staates
im Deutschen Bnnde nicht bloß Preußen, sondern auch Deutschland zu
ewiger Ohnmacht verurteilte. Sollte es anders werden, dann mußte es
früher oder später zu einer Auseinandersetzung zwischen Preußen und Öster¬
reich kommen. — Von Frankfurt war er 1859 als Botschafter nach Peters¬
burg und bald darauf nach Paris berufen worden.
Als bekannt wurde, daß Bismarck Ministerpräsident geworden war,
erhob sich in Abgeordnetenkreisen ein Sturm der Entrüstung.
Alle Versuche Bismarcks, sich mit dem Abgeordnetenhaus zu ver¬
ständigen, hatten keinen Erfolg; die Mehrheit desselben haßte ihn derart,
daß sie überhaupt kein Geld für den Staatshaushalt bewilligte und vom