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wie Groß, Parseval und Zeppelin haben es erreicht, daß ihre Luft¬
schiffe sich vollauf bewährten und den Neid der übrigen Völker erregen.
b) Wie lebhaft der heutige Verkehr ist, zeigt uns am besten die Zahl der
Postsendungen. Die Briefträger tragen in den großen StädtEn täglich
fünf- bis sechsmal Briefe, Drucksachen und Zeitungen aus, selbst auf dem
Lande findet am Tage zweimal Bestellung statt. Riesenhaft ist auch der
Paketversand angeschwollen, die Eisenbahnpostwagen können oft genug die
aufgelieferten Sendungen nicht fassen. Und welche Unmassen von Briefen
und Postkarten jeder Bahnpostzug befördert, läßt sich gar nicht darstellen.
Für die Beförderung der Postsendungen nach Nord-Amerika, wohin ein
Brief 20 Pfennig kostet, sind auf den großen Dampfern eigene Postämter
eingerichtet. Alle die Fortschritte und Errungenschaften der Neuzeit haben
den Handel gehoben. Der Kaufmann kann feine Waren schneller befördern
und feine Absatzgebiete erweitern; doch nicht nur der Kaufmann hat Vorteil
davon, auch der Landwirt, der Geflügelzüchter u. a. können durch das
billige, einheitliche Porto für die Pakete viele ihrer Produkte leichter absetzen
als es früher möglich war.
2. Die Industrie. Doch der Verkehr hängt in mancher Beziehung
von dem Aufschwung oder dem Niedergang der Industrie ab. Ohne
Zweifel befindet sich diese jetzt in einem ganz gewaltigen Auffchwunge.
Die Naturwissenschaften und die Technik sind ihre treibenden Kräfte. Es
gibt säst keine Arbeit mehr, die nicht durch Maschinen betrieben würde
oder betrieben werden könnte. Allerdings hat dies auch seine großen
Schattenseiten. Die industriellen Werke werden immer mehr zu Riesen¬
betrieben, diejenigen von Krupp in Essen oder Siemens & Halske in
Berlin arbeiten für die ganze Welt. Wie aber die Industrie wächst, so
wachsen mit ihr die Städte; die industrielle Ausdehnung verlangt immer
mehr Arbeitskräfte, die ans der Landbevölkerung kommen. So entstehen
die Groß- und Millionenstädte auf Kosten der Dörfer und der Land¬
städte; es werden die Großstädte Jndustriemittelpunkte mit großer
Menschenanhäufung, wie vor allem in Westfalen. Durch das Hin¬
strömen der Massen nach den Jndustriestätten werden namentlich die
östlichen Provinzen entvölkert, weil die Bewohner nach Berlin oder West¬
falen ziehen. Im Jahre 1871 hatten nur neun deutsche Städte über
100000 Einwohner, jetzt gibt es deren zweiundvierzig. Über die Hälfte
der Bevölkerung Deutschlands wohnt in Städten, während das Land
menschenarm geworden ist. Diese Entwicklung läßt sich nicht mehr auf¬
halten, sondern wird weiter fortschreiten; während die Landwirtschaft die
Arbeitskräfte entbehrt, liegen in den Städten, sobald ein wirtschaftlicher
Rückschlag eintritt, Tausende von Arbeitslosen brotlos.
3. Die Bildung. Eine ganze Reihe von Umständen haben es bewirkt,
daß das Streben nach Bildung sich von Jahrzehnt zn Jahrzehnt gesteigert
hat. Die Bücher können jetzt billiger und mit leichterer Mühe als früher
beschafft werden, zudem steigert sich die Zahl derselben fortwährend. Nicht