Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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ihm ble Staatsgeschäfte übrig ließen, widmete er der Musik und wissen¬ 
schaftlicher Beschäftigung. Auch als Schriftsteller erwarb er sich Ruhm. 
Während der Mahlzeit unterhielt er sich mit den gebildetsten seiner Offiziere 
und berühmten Gelehrten, aus denen er seine Tischgesellschaft wählte. Da 
war er in witzigen, sinnreichen Reden unerschöpflich. Jedes Jahr bereiste 
er die Provinzen, um die Truppen zu mustern und zugleich nach allem in 
der bürgerlichen Verwaltung zu sehen. Hohe und niedere Beamte mußten 
da Rechenschaft über ihre Thätigkeit geben, und damit auch die Zeit, welche 
der König aus der Landstraße zubrachte, nicht unbenutzt bleibe, mußten die 
Landräthe und Amtleute neben seinem Wag^n herreiten und ihm von dem 
Zustande der Kreise und Ortschaften erzählen. Auch Kaufleute und Ge¬ 
schäftsmänner sah er gerne, um sich bei ihnen nach den Gewerbsverhält- 
nissen und dem Gange des Handels zu erkundigen. Mit Bauern und ge¬ 
ringen Leuten redete er freundlich und treuherzig, und alle Stände hatten 
sich der Hülfe und unermüdeten Fürsorge ihres Königs zu erfreuen. 
Nach dem siebenjährigen Kriege war seine erste Sorge darauf gerichtet, 
die Wunden zu heilen, welche der Kampf seinem Lande geschlagen hatte. 
Das Getreide, welches er schon für den nächsten Feldzug hatte aufkaufen lassen, 
vertheilte er als Saatkorn unter die verarmten Landleute, und die Pferde, 
die für das Geschütz und Gepäck bestimmt waren, gab er für den Ackerbau 
her. Aus seinen eigenen Ersparnissen baute er die niedergebrannten Ort¬ 
schaften wieder auf, ließ er nothleidenden Gegenden Geldunterstützungen 
zufließen. Denn für sich selbst brauchte der König sehr wenig ; seine Lebens¬ 
weise, seine Kleidung war höchst einfach. „Ich bin arm", pflegte er zu 
sagen, „aber der Staat ist reich ; mein Schatz gehört nicht mir, sondern dem 
Staate." So half er mit freigebiger Hand und unermüdlicher Fürsorge 
dem gesunkenen Wohlstände seines Landes wieder auf. Ja, er erhob durch 
Herbeiziehung von Ansiedlern, die ganze Strecken wüstliegenden Bodens 
urbar machten, durch Unterstützung der Gewerbthätigkeit und des Handels, 
durch Förderung der Rechtspflege und der Volksbildung sein Land zu einer 
Blüte, wie es sie vorher nie gekannt hatte. 
Seinen Unterthanen war Friedrich ein gütiger, leutseliger Herr. Auch 
dem Geringsten seines Volkes bewies er sich freundlich. Als einst auf der 
Reise die Pferde gewechselt wurden, drängte sich ein altes Mütterchen dicht 
an den königlichen Wagen. „Was wollt ihr?" fragte der König. „Nur 
Ew. Majestät Angesicht sehen, sonst nichts weiter", erwiderte die Alte. Der 
König gab. ihr einige Friedrichsd'or und sagte: „Seht, liebe Frau, auf diesen 
Dingern könnt ihr mich ansehen, so oft ihr wollt." — Freimüthige Reden 
nahm der König nicht übel, auch ein dreistes Wort ließ er sich gefallen, wenn es 
nur treffend war. Einen Soldaten, dessen Gesicht mehrere tiefe Narben 
hatte, die er bei Collin erhalten, fragte er bei der Musterung : „In welcher 
Bierschenke hast du dir denn die Hiebe geholt?" — „Bei Collin", war die 
Antwort, „wo Ew. Majestät die Zeche bezahlt haben." Freilich durfte 
die Dreistigkeit nicht in Unbescheidenheit ausarten. Ein junger Landrath 
hatte einst gemeldet, daß sich in seinem Kreise ganze Scharen von Heu-
	        
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