dem Kopfe, von einem Stuhle herab der Mutter und Schwester sehr 
ernsthaft predigen, und seine kindlichen, aus Bibelsprüchen zusammen¬ 
gereihten Vorträge zeigten schon eine Spur inneren Zusammenhanges. 
Von der Entwickelung seines sittlichen Charakters wird schon aus 
der frühesten Periode nur Gutes gemeldet. Er ging gern in Kirche 
und Schule, und nur die Natur konnte ihn zuweilen zu kleinen Dieb¬ 
stählen an der Schulzeit verführen, die dem strengen Vater verborgen 
bleiben mussten; aber auch auf die Spaziergänge begleitete ihn sein 
gutes Gemüt und seine Menschenliebe, und mit grenzenloser Freigebig¬ 
keit verschenkte er an Arme, was er besass. Versunken in Natur- 
genufs stand einst der achtjährige Knabe mit seinem Jugendfreunde im 
Walde und rief: „0 Karl, wie schön ist es hier! Alles, alles, was ich 
habe, könnte ich hingeben, nur diese Freude möchte ich nicht missen!“ 
Er wurde beim Worte genommen. Unter der Last eines Reisigbündels 
schlich ein Kind in Lumpen durch den Wald. „Das arme Kind!" rief 
der kleine Schiller voll Mitleiden, kehrte seine Taschen um und gab, 
was er hatte: zehn Kreuzer und eine alte silberne Schaumünze, ein 
Geburtstagsgeschenk seines Vaters, von der er sich recht ungern trennen 
mochte. Ein andermal stellte er sich dem Vater ohne Schnallen an den 
Schuhen dar und gestand, dass er dieselben einem armen Jungen zum 
Sonntagsschmucke gegeben, weil er sich selbst mit seinen Sonntags¬ 
schnallen begnügen könne. Und an Kameraden verschenkte er nicht 
nur Dinge, über die er frei verfügen konnte, sondern, wenn ihre Armut 
sein Mitleiden recht rege machte, Bücher, ja Kleidungsstücke und Bett¬ 
laken, so dass der Vater selbst mit fühlbaren Züchtigungen einschreiten 
musste, deren Vollziehung jedoch zuweilen die sanftere Mutter sich 
erbat. Im übrigen waren Gehorsam und Folgsamkeit Grundzüge seines 
Charakters. 
Die Natur war der Lieblingsaufenthalt des Knaben; oft wünschte 
er in der schönen Gegend der Sonne mit lautem Gesang, der überhaupt 
seine jugendlichen Schritte im Freien fast immer begleitete, eine gute 
Nacht. Einer seiner Lieblingsspaziergänge war der Calvarienberg der 
Nachbarstadt Gmünd. Der Vater erklärte ihm hierbei die Geschichts¬ 
denkmale der Gegend; der Sohn durfte ihn in die Übungslager, zu den 
Förstern im Walde und reisend auf das Lustschloss Hohenheim be¬ 
gleiten. Bei einem Besuche in Hohenheim wurde der kleine Friedrich 
sehr lange gesucht. Er war in dem Hause, in welchem der Vater ab¬ 
gestiegen war, und das einen Teil der fürstlichen Gebäude ausmachte, 
die das Schloss umgaben, aus einem Salonfenster gestiegen und hatte 
eine Entdeckungsreise über die Dächer unternommen. Eben war er im 
Begriffe, den Löwenkopf, in welchen eine der Dachrinnen auslief, näher 
zu besichtigen, als der erschrockene Vater ihn entdeckte und ihm laut 
zurief. Der Knabe aber blieb so lange regungslos auf dem Dache, bis 
der Zorn des Vaters sich gelegt hatte und ihm Straflosigkeit zuge¬ 
sichert war. 
Ein andermal — noch mochte Schiller nicht über sieben Jahre
	        
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