30 Alte Zeit.
Germanikus ging über die Weser und lieferte den Germanen in
der Ebene Idistavisus, vielleicht am Fuße des Süntels, eine Schlacht,
welche diese hauptsächlich wegen ihres unbezähmbaren Ungestüms ver¬
loren. Armin selbst wurde schwer verwundet und rettete sich nur da¬
durch, daß er, um sich unkenntlich zu machen, sein Gesicht mit Blut
bestrich. Nach einer Überlieferung sollen ihn die Chauken im römischen
Heere erkannt und durchgelassen haben. Groß war der Verlust der
Deutschen; sie zogen sich nach dem Steinhuder Meere zurück und
stellten sich hier zur zweiten Schlacht, die unentschieden blieb. Trotzdem
errichteten die Römer eine Waffensäule mit der prunkenden Inschrift:
„Nach Überwältigung der Völker zwischen Rhein und Elbe hat das Heer
des Kaisers Tiberius dieses Denkmal dem Mars, Jupiter und Augustus
geweiht." Germanikus kehrte mit dem größten Teile seines Heeres zu
seiner Flotte zurück und erlebte auf seiner Rückfahrt nochmals die
Schrecken des nordischen Meeres, indem ein fürchterlicher Sturm die
Schiffe zerstreute. Nachdem er dann noch einen Zug gecjen die Marser
gemacht, rief ihn Tiberius ab mit der Bemerkung, es sei genug gethan
und gelitten, mit Klugheit richte man mehr aus, als mit Gewalt, man
solle die Germanen lieber ihrer eigenen Zwietracht überlassen. Vor dem
Triumphwagen des Germanikus schritt auch Thusnelda mit ihrem
Söhnchen Thumelikus einher, ebenso ihr Bruder, während ihr Vater
dem Triumphzuae als Zuschauer beiwohnte. Zwei Jahre späte starb
Germanikus in Asien, vermutlich an Gift. (19.)
3) Kampf der Deutschen unter einander.
Tiberius hatte die Germanen richtig beurteilt; „denn", so erzählt
Tacitus, „als die Germanen nach Abzug der Legionen von der Furcht
vor äußeren Feinden befreit waren, kehrten sie nach dieses Volkes
Art die Waffen gegen einander." Armin wollte sein Vaterland auch
noch von einem anderen gefährlichen Feinde, dem Marbod, befreien,
der voll Selbstsucht an dem Freiheitskampfe der Germanen sich nicht
beteiligt hatte. Die Langobarden und die Semnonen sielen von Marbod
ab und traten zu Armin über; dagegen floh Hermanns eigener Oheim
voll Eifersucht auf den Ruhm des jüngeren Neffen mit einem großen
Anhange zu Marbod. Die nun folgende Schlacht war sehr blutig;
Marbod mußte das Schlachtfeld räumen und rief die Römer um Hülfe
an; doch vergebens. Diese schürten den Streit nur noch mehr; sie
reizten Katwalda, einen früher von Marbod vertriebenen Häuptling
der Goten (?), zu einem Einfall in Böhmen, der die Markomannen zum
Abfall brachte. Marbod floh zu den Römern; Tiberius nahm ihn gern
auf und ließ ihm — noch achtzehn Jahre lang! — das Gnadenbrot reichen.
Auch Armin fand ein trauriges Ende, aber ohne seine Schuld. Er
sah voraus, daß den früheren Angriffen der Römer gegen Germanien
noch gefährlichere folgen würden, und suchte deshalb die deutschen Stämme,
zunächst die Cherusker und ihre Nachbarn, fester mit einander zu ver¬
einigen. Aber da war jeder Gau, jeder Edeling eifersüchtig auf seine
Selbständigkeit; Armin wurde beschuldigt, er strebe nach der Alleinherr-