Erwerbung Ostfrieslands. Zweiter schlesischer Krieg. 111
dadurch diesen an Umfang um die Hälfte, an Einwohnerzahl und Ein¬
künften fast um die Hälfte vergrößert. Unter dem Jubel der Bevölkerung
kehrte er nach Berlin zurück.
c. Erwerbung Ostfrieslands. Bald nach der Eroberung Schlesiens
vergrößerte Friedrich sein Land noch an einer anderen Stelle, aber ohne
Blutvergießen, indem er nach dem Aussterben des ostfriesischen Fürsten¬
hauses Ost friesland in Besitz nahm.
Karl der Große (II. 78) hatte in Friesland Grasen eingesetzt; aber diese
waren meistens, wie der Graf von Oldenburg und der Bischof von Münster, aus¬
wärtige Herren, die selten im Lande erschienen; Unordnung und Fehden nahmen
deshalb überhand, und dazu wurde ganz Friesland noch von den Normannen
schwer heitngesujjbt. Da traten um 1200 Abgeordnete aus verschiedenen Teilen
Frieslands am Upstallsboom bei Aurich zusammen, um Gesetze zu beraten,
nach denen sie gemeinsam den inneren und äußeren Frieden aufrecht erhalten
wollten. Leider währte aber diese Einigkeit nicht lange, 1327 fand die letzte
Versammlung statt; seitdem zerfleischten die Friesen einander in wilden Partei¬
kämpfen, während das Meer ihnen den Boden unter den Füßen wegriß. Die
große Insel Bant war in Stücke gerissen, in die Inseln Borkum, Juist, Buise,
Bant und Norderney; seitdem wälzten sich die Wogen ungebrochen gegen das
Festland und rissen ein Stück nach dem andern fort. So entstand die Leybucht
bei Norden und seit dem Ende des 14. Jahrhunderts der Dollart. Je mehr
das Ansehen der Grafen schwand, desto selbständiger wurden die Gemeinden; die
Bauern saßen frei auf dem väterlichen Erbe und waren keinem Adeligen zu Fron¬
diensten verpflichtet. Einige derselben, welche sich durch Reichtum, Klugheit oder
Tapferkeit hervorthaten, brachten die Richterwürve in ihrem Bezirke erblich an sich
und bauten sich Steinhäuser (Burgen); solche angesehene Grundbesitzer nannte
man Häuptlinge. Unter den zahllosen Kämpfen zwischen verschiedenen Häupt¬
lingen gelang es Ulrich Eirksena von Greetsiel, sich die Herrschaft über ganz
Ostfriesland zu erringen; um sich dieselbe zu sichern, nahm er Ostfriesland vom
Kaiser, der ihn in den Grafenstand erhob, 1454 zu Lehen. 1654 wurden die
Grafen von Ostfriesland in den Fürstenstand erhoben. Sie erweiterten ihre Herr¬
schaft noch durch die Erwerbung des Harlinger Landes, östlich der Ems. Die
Macht der Fürsten war aber durch die Stände sehr beschränkt; sie lagen deshalb
mit diesen oft in Streit, in den häufig auch auswärtige Mächte, besonders
Holland, hineingezogen wurden. Bei einer solchen Gelegenheit besetzte der große
Kurfürst 1682 Greetsiel und Emden (S. 26); Friedrich III. erhielt 1694 die
Anwartschaft auf Ostfriesland (6. 35). Als nun im Mai 1744 der letzte
männliche Sproß des Hauses Eirksena starb, nahm Friedrich II. rasch Ostfriesland
in Besitz. Voll Vertrauen auf ihren neuen Herrscher sahen die Ostfriesen der
Zukunft entgegen, und als Friedrich 1751 und 1755 in Emden erschien, be¬
grüßten sie ihn mit aufrichtiger Begeisterung.
d. Der zweite schlesische Krieg. Die Nachriefet von dem Abschluß
des Breslauer Friedens, traf die Franzosen wie ein Blitzstrahl. Alle ihre
hochfliegenden Pläne, Östreich zu zerstückeln und Deutschland in vier
etwa gleiche Reiche zu zerlegen, deren keins Frankreich gewachsen sein
würde, war nun dahin. Frankreich und Bayern allein waren Maria
Theresia nicht gewachsen. „Sie sind jetzt der Schiedsrichter Europas,"
1744