Die französische Revolution. 193
geistlichen Orden wurden aufgehoben und vollkommene Religionsfreiheit
eingeführt. Da sich die Kirchengüter nicht alle so schnell verkaufen ließen,
teilte man schriftliche Anweisungen auf dieselben, sogenannte Assignaten,
aus, die wie Papiergeld im Verkehr angenommen werden mußten, wo¬
durch viele verarmten; denn da bei der wachsenden Geldnot die Regie¬
rung derartige Scheine in Übermaß ausgab, so verloren sie bald ihren
Wert so sehr, daß man z. B. für ein Paar Stiefel 20 000 Franken in
Assignaten zahlen mußte, bis sie zuletzt ganz wertlos wurden.
Im Februar des Jahres 1790 erhielt Frankreich eine neue Einteilung 1790
in 83 nach Gebirgen, Flüssen rc. benannte Departements; gleiche Maße,
Gewichte und Münzen wurden eingeführt. Das Gerichtswesen wurde
im ganzen Reiche gleichförmig; die Verhandlungen sollten öffentlich und
mündlich sein; die Folter und alle grausamen Strafarten des Mittel¬
alters wurden abgeschafft, dagegen Preßfreiheit eingeführt. Damit waren
alle Standesunterschiede gefallen, und die Nationalversammlung that
nun noch den letzten Schritt, indem sie die Gleichheit aller Bürger
aussprach und auch die Bezeichnung eines Standesunterschiedes, wie
Titel. Wappen, Livree u. s. w. aufhob. (Juni.)
Wie wohlthätig hätten manche diese Neuerungen für das Land sein
können, hätte man nur Halt zu machen verstanden! Aber bereits lag
alle Macht in den Händen der leicht erregbaren Volksmasse, die durch
herrschsüchtige Volksredner und aufreizende Zeitungen fortwährend auf¬
gewiegelt wurde, die Rechtspflege an sich riß und Richter und Henker
zugleich spielte. Sie wurde von den demokratischen Klubs geleitet, die
nach den Klöstern, in denen sie sich versammelten, Jakobiner und
Cordeliers (Franziskaner) genannt wurden. Die besser Gesinnten
fühlten sich durch ein solches Treiben abgestoßen, und ihre Begeisterung
für die Nationalversammlung.war schon bedenklich abgekühlt; da beschloß
diese, durch ein großes Volksfest die Begeisterung wieder anzufachen.
Am 14. Juli 1790, dem Jahrestage des Bastillensturmes, sollten Volk, ii.Juii
Armee und Nationalgarde gemeinsam ein großes Derbrüderungs-
sest feiern.
Zu dem Ende berief man Abgeordnete des Heeres, der Bürgergarde und
der einzelnen Kantone nach Paris. In der Mitte des Marsfeldes ward ein
Hügel aufgeworfen, auf welchem der Altar des Vaterlandes errichtet ward; um
den Hügel befanden sich amphitheatralische Sitze für die Abgeordneten; an der
einen Seite bedeckte Sitze für die königliche Familie und die Nationalversamm¬
lung; der König saß aus dem Throne, rechts neben ihm, in gleicher Höhe, der
Präsident der Nationalversammlung. Diese Arbeiten waren von Freiwilligen aus
allen Ständen in Paris ausgeführt. Die Feier begann mit einer musikalischen
Aufführung, an welcher 12 000 Künstler teilnahmen; dann weihte der Bischof
Talleyrand an der Spitze von 300 weißgekleideten, mit dreifarbigen (blau-
weiß-roten) Schärpen geschmückten Priestern die neuen Fahnen der 83 Departe¬
ments und hielt unter dem Schalle der Trommeln die Messe. Hierauf schritt
Lafayette zum Altare und leistete den Bürgereid, den die Abgeordneten ihm nach¬
sprachen; denselben Eid legten auch der König und der Präsident der National¬
versammlung ab. Allgemeine Jubelrufe, das Dröhnen der Kanonen, das
Hosfmeyer und Hering, Handbuch. 3. Teil. jo