234 Kampf gegen Napoleons Gewaltherrschaft
Berlin heranzog, wollten die Bürger sich erheben, und es meldeten sich
schon junge Leute zur Bildung von Freischaren. Aber der Stadt¬
kommandant veröffentlichte den Befehl: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.
Ich fordere hierzu alle Einwohner Berlins auf!" Er wollte auch nicht
die reichen Vorräte fortbringen lasten, um nicht Napoleons Zorn auf die
Stadt zu laden. So durch nichts aufgehalten, konnte Napoleon schon
am 27. Oktober seinen Einzug in Berlin halten. Er kam von Potsdam,
wo er Friedrichs des Großen Zimmer unbedeckten Hauptes besucht hatte.
Die Viktoria mit dem Viergespann auf dem Brandenburger Thore nebst
vielen anderen Kunstwerken, der Degen, Ringkragen und das Ordens¬
band Friedrichs des Großen, die eroberten Fahnen, sowie der Inhalt
vieler Kassen und der Zeughäuser wanderten nach Paris; doch hatte
Stein die ihm anvertrauten Kassen rechtzeitig nach Königsberg bringen
lassen. In der Kunstkammer hausten französische Generale wahrhaft
vandalisch, indem sie aus einzelnen Kunstwerken edle Steine ausbrachen,
andere ihrer Goldzierraten beraubten und sie dabei verstümmelten. Zwar
wurde die Stadt mit Schonung behandelt, aber alle Beamten wurden
verpflichtet, dem französischen Gouverneur unbedingt Folge zu leisten;
sieben Minister und die Beamten leisteten Napoleon den Eid der Treue.
Dadurch waren die Franzosen imstande, mit Hilfe der landeskundigen
preußischen Beamten ihre ungeheuren Requisitionen einzutreiben, was
französischen Beamten die größten Schwierigkeiten bereitet hätte.
Die edle Königin Luise war auf die Nachricht von der verlorenen
Schlacht nach Berlin geeilt; die königlichen Kinder waren schon auf der
Reise nach dem Osten. In Schwedt traf die Königin mit ihnen zu¬
sammen. Welch ein Wiedersehn! „Ihr seht mich in Thränen," rief sie
aus, „ich beweine den Untergang der Armee. Sie hat den Erwartungen
des Königs nicht entsprochen." Dann setzte die königliche Familie ihre
Reise nach Königsberg fort.— Der auf den Tod verwundete Herzog
von Braunschweig hatte sich auf einer Bahre von Jena in seine Haupt¬
stadt tragen lassen, um dort zu sterben. Aber Napoleon erklärte: „Ich
kenne keinen Herzog von Braunschweig, sondern nur einen preußischen
General dieses Namens." Der Todkranke mußte sich wieder auf die
Flucht begeben, doch ereilte ihn schon zu Ottensen bei Hamburg der
Tod; er wurde auf demselben Friedhofe beerdigt, der auch Klopstocks
Gebeine birgt.
Die sächsischen Gefangenen gab Napoleon frei und schloß mit Sachsen
Frieden, das als Königreich in den Rheinbund trat, wodurch das Bundes¬
heer um 20 000 Mann vergrößert wurde. Der Übermut des Siegers
wuchs mit jedem Tage; Preußen vermochte einen annehmbaren Frieden
nicht von ihm zu erlangen. Von Berlin aus verbot er durch die Kon¬
tinentalsperre der Bevölkerung Norddeutschlands jeden Handels¬
verkehr mit England. Auch die Potfete, sowie die Briefe mit englischer
Aufschrift wurden von der Post nicht befördert, sondern weggenommen,
auch jeder auf dem Festlande von den Franzosen ergriffene Engländer
kriegsgefangen. Die Hälfte aus dem Erlös der Waren sollte zur Ent¬
schädigung für die Verluste verwandt werden, welche festländische Geschäfts¬
leute durch Wegnahme ihrer Schiffe erlitten hatten.