Napoleon auf der Höhe seiner Macht. 269 
steigt der Sonnengott, die Welt erleuchtend und erwärmend, am Himmel empor; 
du aber, größer als er, zwingst ihn durch deine Erscheinung, seinen Wagen 
zurückzulenken und zu bekennen, daß die Welt seiner nicht mehr bedarf." 
Aufmerksamen Beobachtern in der Nähe des Kaisers entging es freilich nicht, 
daß ihm trotz seines prunkvollen Auftretens ein Mangel an Würde eigen war, 
wodurch er als Emporkömmling gezeichnet wurde. „So oft er — bei festlichen 
Anlässen, deren Prunk und Aufregung Napoleon so sehr liebte — seinen 
Thron zu besteigen hatte, that er's, als wollte er sich auf ihn Hinaufstürzen. Das 
war nicht ein legitimer Fürst, der ruhig den angestammten königlichen Sitz seiner 
Väter einnahm, sondern ein Gewalthaber, der, so oft er sich die Krone aufs 
Haupt setzte, sich das Schlagwort in die Erinnerung rief, das er in Mailand 
ausgesprochen: „Wehe dem, der daran rühren wird." (6. 218.) Was Napoleon 
verunzierte, wenn er öffentlich zu reden hatte, war die unheilbare Fehler¬ 
haftigkeit seiner Aussprache. Gewöhnlich ließ er sich die Rede schreiben, 
die er sprechen wollte. Nachher versuchte er das Geschriebene auswendig zu 
lernen, aber daS ging schlecht, weil ihm der geringste Selbstzwang unleidlich war. 
Schließlich fand er sich darein, die Nebe zu lesen, die man ihm aber in sehr 
großen Buchstaben hinschreiben mußte. Sobann ließ er sich bie Aussprache ber 
Worte lehren, aber im Lesen vergaß er, was man ihm vorgesagt, unb mit etwas 
bumpfer Stimme las er mit halbgeöffnetem Munbe vor mit einem Accent, ber 
noch mehr als seltsam klang, ber etwas Unangenehmes unb selbst Gemeines hatte. 
Schon sein Accent bezeugt unzweifelhaft, baß er ber Nation gegenüber ein 
Frernbling war, unb bas wirkte auf ben Gebanken ebenso störenb als auf 
bas Gehör. Auch ich habe bas manchmal unangenehm entpfunben." (Frau 
v. Remufat, M^moires.) Metternich schrieb über ben Kaiser an ben Fürsten 
von Schwarzenberg: „Für seine Ansprüche viel zu klein geblieben, ging er aus 
ben Fußspitzen, um großer zu erscheinen, als ihn bie Natur geschaffen. Um bei 
festlichen Gelegenheiten burch Würbe Einbruck zu machen, stubierte er mit bem 
Schauspieler Talma, seinem besonbern Liebling, vor bem Spiegel bie Geberben¬ 
sprache ber Bühne ein. Aber wie bem Korsen bas auswenbig gelernte Französisch 
im Halse stecken blieb, so spielten bem Kaiser, ber ber vornehmen Welt imponieren 
wollte unb mußte, bie Gewohnheiten ber Wachtstube unb bes Felblagers alle 
Augenblicke bie ärgerlichsten Streiche, unb ganz befonbers bie Damen seines Hofes, 
bie er regelmäßig fragte, ob sie ihre Kinber auch selber stillten, hatten unsäglich 
barunter zu leiben. Die Roheit bes Benehmens war bei Napoleon beshalb nicht 
auszurotten, weil sie in ber Roheit feiner Seele wurzelte unb biefe in jebem 
neuen Erfolg einen Grunb mehr fanb, sich keinerlei Zwang anzuthun. Dies 
war's, was er gemein hatte mit Emporkömmlingen gewöhnlichen Schlages. Ein 
anberes aber unterschieb ihn von biefen. „So bringenb wie irgend ein anberer 
empfanb er bas Bebürfnis, feine junge Macht anzulehnen an altes Recht unb 
ihr baburch in etwas bie Weihe zu ersetzen, bie ihr nach ber Art ihres Ursprungs 
fehlte unb fehlen mußte. . . . Den Rückhalt, ben auch er nicht entbehren konnte, 
suchte er nicht bei ber Kirche, bie für jebe Leistung Gegenleistungen forberte, unb 
was sie einmal hatte, nie wieber herausgab, fonbern bei einem Herrscherhause, 
bas bie älteste und würbevollste Krone trug, von besten Weihe minbestens in ben 
Augen ber blöben Menge etwas auf ihn überging, wenn eine Tochter bes Kaisers 
seine Gattin würbe unb bas er in solche Lage gebracht, baß es alle Ursache hatte, 
für seine Hulb unb Gnade nicht undankbar zu sein." (Oncken.) Der Gedanke,
	        
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