300 Kampf gegen Napoleons Gewaltherrschaft
mit geringer Streitmacht die Verteidigung der Stadt. Blücher erstürmte
30.Mäizden Montmartre, den hohen steilen Berg, der im Norden die Stadt
deckt. Wegen einer Augenkrankheit trug er beim Sturm einen grün-
seidenen Augenschirm. Unter seinen Sturmkolonnen im Wagen den Berg
hinanfahrend, warf er den Feind; auch die übrigen Punkte waren ge¬
nommen, die Stadt kapitulierte. Große Freude war in den Reihen der
Sieger, als die feindliche Hauptstadt bezwungen zu ihren Füßen lag.
Mit schmetterndem Trompetenschall kam ein Regiment litauischer
Dragoner den Berg heraufgeritten. Auf Jorks Frage,' was das bedeute,
antwortete der Oberst: „Excellenz, das habe ich meinen Leuten schon in
Tilsit versprechen müssen, daß sie Paris sehen sollten." Napoleons Ge¬
mahlin und Sohn hatten die Stadt bereits verlassen; jetzt floh auch sein
suMärz Bruder Joseph, sowie alle Anhänger des Kaisers. Am folgenden Tage
hielten Kaiser Alexander und Friedrich Wilhelm, umgeben von den
Prinzen ihres Hauses und einem glänzenden Gefolge, an der Spitze von
35 000 auserlesenen Truppen, ihren Einzug in die gedemütigte Stadt.
Leider war es dem Iorkschen Heldencorps nicht vergönnt, in Paris mit
einzuziehen. Von ihren vielen Märschen, Kämpfen und Stürmen sahen
sie abgerissen aus wie Bettler; verdrossenen Mutes sahen sie vom Mont¬
martre auf die Stadt, in welche auf königlichen Befehl statt ihrer die
schmucken Garden einzogen. Das gesinnungslose Volk, welches eben
vorher Napoleon aus den Händen getragen, jubelte den „Befreiern von
der harten Tyrannei" entgegen und empfing sie mit Wehen der Tücher,
Blumenschmuck und allen demütigen Schmeicheleien.
An demselben Tage erklärte Talleyrand den Siegern, die Franzosen
wünschten die Wiederaufrichtung des bourbonischen Thrones. Am 1. April
wurde „Napoleon Bonaparte" samt seiner Familie des Thrones für ver¬
lustig erklärt. Dieser empfing die Nachricht von dem Fall der Haupt¬
stadt in Fontainebleau, wo er' noch 50 000 Mann zusammen hatte. Er
wollte mit den Soldaten den Kampf fortsetzen, aber die Führer gaben die
Sache verloren. Dann wollte er zu Gunsten seines Sohnes verzichten;
aber die verbündeten Monarchen ließen sich nicht mit ihm ein, sondern
zwangen ibn, seine unbedingte Entsagung zu unterzeichnen. Großmütig
ließen sie ihm den kaiserlichen Titel, wiesen ihm die kleine Insel Elba
und 2 Millionen jährlicher Einkünfte an und gestatteten ihm, 400 Mann
feiner getreuen Garde bei sich zu behalten. Nach einer herzerschütternden
Rede verabschiedete er sich von seiner Garde in Fontainebleau. An
demselben Tage, an welchem Napoleon auf Elba landete, zog der Bruder
des hingerichteten Ludwig XVI. als Ludwig XVIII. in Paris ein; mit
30.Mai ihm schlossen die Verbündeten den ersten Pariser Frieden, bei dem
Frankreich viel zu günstig behandelt wurde. Es erhielt seine Grenzen
vom 1. Januar 1792 wieder, also auch noch kleine Teile von Belgien
und Deutschland, und brauchte keine Kriegssteuern zu zahlen; ja es
durfte sogar die aus allen Ländern zusammengeraubten Kunstschätze be¬
halten; nur die Preußen nahmen ihre noch nicht ausgepackte Viktoria
wieder mit.
Der erste Pariser Friede war ein Meisterstück ränkevoller Diplomatie. Gneisenau
äußerte sich damals: „Das Schlimmste ist, daß der Kaiser Alexander durchaus