Gleichzeitige ausländische Ereignisse. 319 
Zustand aber infolge von Bürgerkriegen und politischen Umwälzungen 
meistens ein elender ist. 
b. Portugal war nach langem Hader im Jahre 1778 die Herrschaft 
über Brasilien in seinem jetzigen Umfange zugestanden. Für letzteres, 
das vom,, Mutterlande gleichfalls stets einseitig ausgebeutet war, kam 
mit der Übersiedelung der portugiesischen Königsfamilie nach Brasilien, 
durch Freigebung des Handels mit allen Nationen eine neue Zeit (1807). 
Ais aber der Hof im Jahre 1821 nach Europa zurückkehrte, erklärte sich 
Brasilien für unabhängig und wählte Dom Pedro I., den Sohn König 
Johanns VI., zum Kaiser. Seitdem bildet Brasilien auf amerikanischem 
Boden die einzige Monarchie, deren Herrscher auf dem Kontinente 
residiert. 
c. Die Niederlande. Das Beispiel der Pariser Iulirev olution, 
durch welche Karl X. (1824—1830) vertrieben und Louis Philipp 
von Orleans auf den Thron erhoben wurde, fand zuerst in Belgien 
Nachahmung. Dies Land war mit Holland zum Königreich der 
Niederlande vereinigt, obgleich beide Länder durch Verschiedenheit der 
Natur, der Religion.' der Sprache und der Interessen im Gegensatz 
standen. Die Unzufriedenheit der Belgier mit dem holländischen Regi¬ 
ment wurde dadurch genährt, daß sie durch ungewöhnlich hohe Be¬ 
steuerung zur Tilgung der großen Nationalschuld Hollands gezwungen, 
holländische Sprache und Gesetz in Belgien bevorzugt und der Unterricht 
der katholischen Belgier unter protestantische Staatsbehörden gestellt 
wurden. Die feindselige Haltung der liberalen belgischen Presse, welche 
Aufhebung des Preßzwanges und der holländischen Beamtenmacht, Ein¬ 
führung der Schwurgerichte und freiere Staatsformen verlangte, suchte 
der König Wilhelm I, von Holland durch vermehrte Strenge zu be¬ 
schwichtigen. Die liberale Partei schloß ein unnatürliches Bündnis mit 
der ultramontan-katholischen, welche Befreiung der Schule von staatlicher 
Aufsicht verlangte, um sie ganz in die Hände der Geistlichkeit zu bringen. 
Als die Nachricht von der Iulirevolution in Brüssel eintraf, schritt man 
zu offener Revolution: ein wilder Volkshaufe zerstörte die Druckerei einer 
Holland freundlichen Zeitung, ebenso den Palast des Iustizministers und 
die Wohnung des Polizeidirektors. Mit Hilfe des Pöbels bemächtigte 
sich die „Nationalopposition" der höchsten Macht. Im Vertrauen auf 
den Anschluß der angesehenen Bürger machten nun die Holländer einen be¬ 
waffneten Angriff auf Brüssel, wurden aber abgeschlagen und zum Rückzug 
nach Antwerpen genötigt. Als die Belgier auch diese Stadl zu nehmen 
versuchten, zog sich der holländische General Chasse in die feste Citadelle 
zurück und beschoß die Stadt aus dreihundert Kanonen sieben Stunden 
lang, wodurch jeder versöhnende Ausgleich unmöglich gemacht wurde: 
ein belgischer Nationalkongreß trat zusammen, der die Unabhängig¬ 
keit Belgiens von Holland forderte. Mittlerweile traten die fünf Haupt¬ 
mächte Europas zu einer Konferenz in London zusammen und erkannten 
die Unabhängigkeit Belgiens an. Zum Könige der Belgier wurde der 
dem englischen Königshause verwandte Leopold von Sachsen- 
Koburg bestimmt, der sich in zweiter Ehe mit einer französischen
	        
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