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einen Uberschuß an guten Werken. Jeder sündige Mensch könnte sich ' 
einen Teil dieses Schatzes sichern, wenn er das Rosenkranzbeten fleißig 
übe, wenn er die Reliquien verehre, die Fasten streng inne halte, die 
Kasteiungen genau vollziehe, wenn er sich an den Wallfahrten beteilige. 
Der Papst aber rühmte sich, als Stellvertreter Christi auf Erden die 
Macht zu besitzen, aus dem Schatze der von den Heiligen aufgesparten 
guten Werke denen, die sich durch Reue und Buße würdig zeigten, 
einen Teil desselben spenden zu können. Da damit der Erlaß der zeit¬ 
lichen Strafen verknüpft war, hieß diese Austeilung Ablaß. Bald aber 
sah man nicht mehr auf reumütige und bußfertige Gesinnung, sondern 
nur auf die vollen Hände. So konnte man sich mit Geld von der Ab¬ 
büßung irgend einer Kirchenstrafe loskaufen. Im Jahre 1300 wucherte 
das Ablaßweseu immer üppiger empor; denn der Papst Bonifatins VIII. 
führte die Jubelfeste ein. Jeder, der im Jubeljahre in Rom an den 
Gräbern der Apostel Petrus und Paulus betete, erhielt völligen Ablaß. 
Da strömte alles Volk gen Rom und beichtete und opferte. So groß 
war die Menge des gespendeten Geldes, daß zwei Geistliche Tag und 
Nacht mit Rechen die Opfergelder auf dem Altare zusammenscharren 
mußten. Aller hundert Jahre sollte das Jubelfest gefeiert werden. Da 
jedoch das erste so viel Geld eingebracht hatte, so bestimmten spätere 
Päpste, daß sie aller 50, dann aller 33, und zuletzt aller 25 Jahre statt¬ 
finden sollten. In der Zwischenzeit zogen Ablaßhändler im Lande umher 
und verkauften im Aufträge des Papstes Ablaßzettel an die Leute; da¬ 
durch flössen noch größere Summen nach Rom als durch die Jubelfeste. 
Damit mm die Geistlichen in der Lage waren, die Kirchenstrasen für alle 
Vergehen genau bestimmen zu können, so wurde die Ohrenbeichte ein¬ 
geführt, wobei jeder Mensch dem Priester, welcher im Beichtstühle saß, 
alle seine Sünden ins Ohr zu beichten hatte. Selbst die Kinder mußten 
sich der Ohrenbeichte unterwerfen und wurden da ausgeforscht, ob sie mit 
Schnee, Steinen oder dergleichen geworfen, ob sie mit Karten und Würfeln 
gespielt, sich in Mädchenkleider gesteckt, ob sie die Messe versäumt, gelogen, 
gestohlen und sich gezankt hätten. 
Wer bei seinen Lebzeiten versäumt hatte, sich Ablaß von seinen 
Sünden zu verschaffen, dessen Seele könnte, so lehrte die Kirche, nicht 
sogleich in die innige Gemeinschaft mit Gott eintreten, sondern müsse erst 
durch ein Feuer geläutert und gereinigt werden. Die Qualen, welche 
die Seele in diesem Fegefeuer erdulden müsse, könnten die Angehörigen 
verkürzen, indem sie für die Verstorbenen beteten. Aber noch viel wirk¬ 
samer wäre es, wenn die Priester diese Gebete, welche man Seelenmessen 
nannte, verrichteten. Dafür zahlte man der Kirche ein Opfer. Da das 
Volk sehr viel Seelenmessen lesen ließ, so erzielte die Kirche dadurch 
reichen Gewinn.
	        
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