Full text: Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des Achtzehnten Jahrhunderts (Teil 2)

o Vorwort. 
die Volkswohlfahrt (Landesschutz, Rechtsschutz, Wohlstand, Gesundheit, Bildung 
und Seelenheil) gesorgt wird; gleichzeitig soll der Schüler erkennen, daß die 
kulturgeschichtlichen Erscheinungen der Gegenwart geschichtlich geworden sind. 
Die weitentlegenen Stoffe reichen im allgemeinen am wenigsten bis in 
unsere Zeit, während die späteren Zeiten, namentlich seit dem Großen Kur¬ 
fürsten, mit der Gegenwart in lebendigem Zusammenhange stehen und deshalb 
eingehender und in ununterbrochener Reihenfolge behandelt werden. Die bei 
der Behandlung der kulturgeschichtlichen Stoffe naturgemäß viel und oft auf¬ 
tretenden Zahlen dienen lediglich Veranschaulichungs- und Vergleichungs¬ 
zwecken und werden selbstverständlich nicht memoriert. Die Verhältnisse der 
Heimat müssen in erster Linie und ganz eingehend betrachtet werden. Es 
kommt mir in erster Linie nicht auf die scheinbare Vollständigkeit und Lücken¬ 
losigkeit des volkswirtschaftlichen und politischen Wissens an — obgleich ander¬ 
seits gefordert werden muß, daß den Schülern ein bestimmtes Maß kultur¬ 
geschichtlicher Kenntnisse vermittelt werde -, sondern der Haupterfolg des 
Unterrichts liegt in der Intensität des durch die Behandlung des Stoffes er¬ 
regten Interesses. In den einfachsten Schulverhältnissen wird der Lehrer diese 
Stoffe nicht alle bewältigen können. Es ist ihm ein Leichtes, das für die Be¬ 
dürfnisse seiner Schule Geeignete auszuwählen. Das Mehr mag für entwickeltere 
Schulverhältnisse und für besonders geförderte Klassen gelten. Der Verfasser 
will hier nur Fingerzeige und dem denkenden Lehrer Anregung geben. Nicht 
der unterrichtet im Geiste dieser Arbeit, der sich sklavisch daran bindet, sondern 
der sie stuoiert und für seinen eigenen Unterricht frei verwendet. Ausschlag¬ 
gebend für die Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Stoffe sind in jedem 
Falle das Bedürfnis und das Interesse. Um aber eine möglichst eingehende 
Berücksichtigung der Kulturverhältnisse der Gegenwart zu ermöglichen, soll 
man entweder einen späteren Ausgangspunkt für die Geschichtsbetrachtung 
wählen oder die alte deutsche Geschichte kürzen (vgl. Absatz 3, Satz 1); keines- 
falls dürfen die Kürzungen auf Kosten der Geschichte 
der neuesten Zeit geschehen. Gegen das Ende der Schulzeit, etwa 
im letzten Halbjahre und in einfachen Schulverhältnissen im letzten Viertel¬ 
jahre, wird der gelegentlich erarbeitete und ins Merkheft eingetragene kultur¬ 
geschichtliche Stoff im Zusammenhange wiederholt, ergänzt und zu einer 
kleinen Staats- und Bürgerkunde systematisch zusammengefaßt. 
Möge meine Arbeit dazu beitragen, daß der Geschichtsunterricht erreiche, 
was er erreichen soll: nicht eine Überlastung des Gedächtnisses mit kaltem 
Wissen, sondern eine durch Schauen und Denken gewonnene Einsicht in den 
Werdegang und das Leben des deutschen Volkes, Stärkung des Willens und 
Veredelung des Gemüts. Ein Geschichtsunterricht, so betrieben, steht im 
Dienste echter staatsbürgerlicher Erziehung. 
Elberfeld, im Christmonat 1910. 
M. Reiniger.
	        
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