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dennoch eroberten sie bald die wichtigsten Werke auf dem linken Weichsel¬
ufer. Nun konnten die Bayern am 5. August 1915 als Sieger in der
polnischen Hauptstadt einziehen. Die Russen sprengten eiligst die Weichsel¬
brücken und steckten Magazine in Brand. Um so freudiger begrüßten die
Warschauer die einziehenden Sieger. Die Warschauer hatten nament¬
lich im Winter öfter Besuche von Zeppelinen gehabt. Zur Beschießung
der Stadt selbst war es nur wenig gekommen. Aber die Russen be¬
schossen nun von Praga aus, auf dem rechten Weichselufer, die von den
deutschen Truppen besetzte Stadt, zum Glück, ohne viel Schaden an¬
zurichten. Die Russen wurden auch bald aus Praga vertrieben und
mußten nun immer weiter gen Osten flüchten.
So waren am 5. August zwei bedeutende Weichselfestungen gefallen.
Das waren zwei derbe Schläge für Rußland. Die Russen taten zwar
so, als ob der Verlust dieser Waffenplätze gar nichts zu bedeuten habe,
sie wollten doch nur die Feinde, wie 1812 Napoleon, weit in das Innere
Rußlands locken, um sie desto sicherer vernichten zu können. In der Tat
haben sie auch wie 1812 hinter sich alles verwüstet und selbst das an¬
stehende Getreide in Brand gesteckt. Ihre Dampfwalze schonte jetzt
ebensowenig die eigenen Untertanen wie im August 1914 die armen Ost¬
preußen. Um so freudiger begrüßten die gequälten Bewohner, Polen
und Juden und Deutsche, die Sieger als Retter in der Not. In Deutsch¬
land und Österreich feierte man mit Recht den Fall Warschaus und
Jwangorods als große Erfolge. 1656 fand vor Warschaus Toren das
junge preußische Heer seine Feuertaufe, und es bestand diese Feuerprobe
aufs glänzendste, 1914/15 konnten die sieggekrönten deutschen Heere
hier neue Lorbeeren pflücken.
5. Der siegreiche Durchbruch der Festungslinie am Narew.
Rußland hat in Nordpolen eine Reihe starker Festungen geschaffen,
die mit Warschau und Nowogeorgiewsk an der Weichsel beginnen. Die
beiden nächsten schützen das Gebiet, in dem Bug und Narew sich ver¬
einigen. Die weiteren Festungen liegen am Narew, wie Pultusk,
Roschan, Ostrolenka und Lomscha. Daran reihen sich die Bobrfestung
Ossowiez und die Njemensestungen Grodno, Olita und Kowno. So
umgibt ein Kranz gut ausgebauter Festungen die Süd- und Ostgrenze
von West- und Ostpreußen. Von hier aus unternahmen die Russen ihre
wuchtigen Vorstöße nach West- und Ostpreußen. Solange diese Festungs¬
mauer (250 km lang) unerschüttert blieb, so lange war unsre Ostgrenze
stets bedroht. Aber dieser Festungsgürtel war schwer zu nehmen; denn
die Festungen waren meist durch Sümpfe geschützt. Seit dem Angriff
auf Praschnysch (14. Juli 1915) begann nun unser Vorstoß auf diese
Festungen am Narew. General von Gallwitz stand im Westen und General
von Scholtz im Osten. Nach den Siegen bei Ziechanow und Makow
konnte Gallwitz mit seinen Truppen an den Narew vordringen und nun
dre kleineren Festungen Pultusk, Roschan und Ostrolenka bedrohen.