Full text: Deutsche Geschichte von der ältesten Zeit bis zum Ende des Großen Krieges (Teil 2)

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Bürger schöne Gebäude hatte, außer vielleicht in der Residenzstadt. Es 
zieme sich nicht, hieß es, daß der Bürger ein schöneres Haus als z. B. 
der Ritter habe. Deshalb haben viele alte Kleinstädte oft heute noch 
Gebäude, wie sie auch wohl in Dörfern zu finden sind. Auch die innere 
Ausstattung schön und reich zu gestalten, konnte sich nur der Reichsstädter 
erlauben; der Landstädter wurde sonst gleich mit höheren Abgaben belegt. 
Aber die reichsstädtische Bürgersfrau setzte ihren Stolz darein, dem Be¬ 
sucher ihre Schränke und Truhen voll von Leinen, feinen Kleidern, 
Silbergerät usw. zu zeigen, und der Stolz des Einzelnen war zugleich 
derjenige der ganzen Bürgerschaft. Manches Bürgerhaus stellte da viele 
Ritterburgen in Schatten. 
Der größere Reichtum der Städte machte es dann möglich, mehr 
für das allgemeine Wohl zu sorgen und auch der Armen besser zu ge¬ 
denken. Es mochte manchem das Gewissen schlagen; mancher Kaufmann 
(Fugger) mochte denken: Von Deinem Überflüsse mußt Du um Deiner 
Seele Heil willen den Armen abgeben, zum allgemeinen Wohle bei¬ 
tragen. Auf diese Weise entstanden manche gesundheitliche Verbesserungen 
uud wohlthätige Werke. Aber es geschah doch noch lange nicht genug. 
Das ließe Ich ging noch immer vor, und noch Jahrhunderte lang blieb 
vieles wie es gewesen. Die That der Fugger war auf Augsburg be¬ 
schränkt und fand nur an wenigen Orten Nachahmung und nirgends in 
solchem Umfange. 
Aber auch glänzen vor der Außenwelt wollten die großen reichs¬ 
freien Städte durch öffentliche, mächtige Prachtbauten. Als noch die alten 
Kaiser die Herrschaft hatten, da zierten sie ihre Lieblingsstädte mit präch¬ 
tigen Domen und Pfalzen im Rundbogenstil. Die freien Städte wollten 
aus eigenen Mitteln die Kaiser übertreffen. Auch äußerlich; es sollten 
die Bauwerke größer, höher, prächtiger werden. Der Spitzbogen deutete 
das Höherstreben an. So entstanden in den freien Städten die gotischen 
Münster und Rathäuser, letztere als Residenzen des Stadtregiments. 
Erstere legte man mitunter so großartig an, daß man zuletzt vielfach 
entweder des jahrhundertelangen Bauens müde wurde, oder kein Geld 
mehr hatte. Deshalb sind noch heute da und dort die Türme unvollendet 
(Straßburg), oder erst vor kurzem vollendet worden (Köln, Ulm). 
Die notwendige innere Ausschmückung dieser mächtigen Gebäude 
und auch der vornehmen Privathäuser erforderte es von selbst, zu grübeln 
und zu sinnen, Kunstgegenstände: Bildwerke, Schnitzereien, wertvolle 
Geräte usw. zu jenem Zwecke anzufertigen, zu schaffen. Es entstand ein 
reger Wetteifer unter den Handwerkern, und aus diesen gingen durch 
solchen Wetteifer erst die Künstler hervor. Denn derjenige ist ein Künstler, 
der nicht etwas Handwerksmäßiges und Alltägliches, sondern etwas Be¬ 
sonderes, Feines, Neues erdenkt und schafft. So kann aus einem Stein¬ 
metz ein Bildhauer, aus einem Drechsler ein Bildschnitzer, aus einem 
Blechfchmied ein Goldschmied, aus einem Anstreicher ein Kunstmaler
	        
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