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IV. Aus der Geschichte der Landwirtschaft und des Vaterlandes.
allein lassen; schon zu lange lasse ich dich hungern und dursten.
Sieh, da kommt ja auch „'s Annemari“, des Pelzmüllers Älteste; —
sie geht meiner Frau zur Hand seit unserer beiden Töchter Heirat. Es
wird doch den Schlüssel zuͤr Räucherkammer haben. Wir wollen erst
vespern; der Mund ist uns ganz trocken vom Erzählen!“ So ließ mich
der Alte allein, und mit inniger Freude betrachtete mein Auge den sauber
geordneten Wirtschaftshof, der mit seinen weiten Scheunen, Schuppen
und Ställen vor mir lag. Offenbar noch stattlicher war er geworden
seit der Zeit, da er unserer fröhlichen Spiele Tummelplatz war.
Bald kehrte der Alte zurück, und „s Annemari“, die mich treu—
herzig begrüßte, als wär' ich ein alter Bekannter, deckte den Tisch mit
schneeichtem Linnen, trug dann auf, was ein wohlbestelltes Bauernhaus
nur zu bieten vermag. neben deni kräftigen Brot eignen Gebäcks die
goldgelbe Butter — die Kühe bekamen seit kurzem wieder Grünfutter
und den köstlichen Handkäse — er war von jeher ein besonderer
Stolz der Brinkhöferin — und nach des Landes Sitte und Brauch
als Ehrengabe dem willkommenen Gaste die dickste der saftigen Mett—
würste; „Feldkieker“ genannt. Trefflich mundete das Mahl; es machte
dem gastlichen Haus und seiner Wirtin Ehre.
3. „Nun aber“, begann der Brinkhöfer nach beendeter Mahlzeit,
„erzähle mir, wie's dir ergangen, seit du mit den uns unvergeßlichen
Eltern von hier geschieden.“ Da erzählte ich, wie mich der liebe Gott
bisher gnädig geleitet, mich des Fleißes und der treuen Arbeit Segen
nun lasse genießen in Amt und Stellung, die den Mann auch nährt.
Mit sichtlicher Teilnahme hörte der Alte mir zu, fragte auch nach der
lieben Familie Ergehen in der großen Stadt. „Möchte aber doch nicht
wohnen dort“, meinte er, „saͤhe auch gar nicht gern, wenn mein
Jungster — er ist jetzt Soldat — dort hängen bliebe. Er soll wie
seine Brüder ein tüchtiger Bauer werden und mit ihnen bleiben in
seiner Eltern und Ureltern Geleise. Hat's der Bauer heutzutage auch
wahrlich nicht leicht, so gibt ihm der Acker doch noch immer, was man
bescheidenen Sinnes bedarf, wenn man ihn nur kennt und ihn tüchtig
zu bewirtschaften versteht. Unsere Feldmark ist kein Paradies, und
Unablässige Arbeit ist nötig, wenn's darauf grünen und blühen soll
zur gesegneten Ernte. Darum mußten meine fünf Jungen früh mit
in die Arbeit, und auch die beiden Mädchen haben daheim und auf
dem Acker wacker mit zugegriffen, bis sie als tüchtige Bäuerinnen aus
dem Elternhause schieden. Was der „Brinkhof“ werden konnte, du
siehst es, ist er geworden, und nicht zum letzten verdankt er seinen
Wohlstand dem Fleiße meiner Kinder. Aber lange schon bedrückt mich
die Sorge um die Zukunft meiner Jungen. Die Mädchen sind glück⸗
liche Frauen und Mütter auf dir bekaunten Höfen im Nachbardorfe
geworden. Der Älteste — er zählt ja schon über die dreißig — wird
n Baͤlde den wohlbestellten Brinkhof als väterliches Erbe übernehmen.
Aber wo bleiben die vier Jüngsten? Gern kaufte ich ihnen hier etwas
Passendes. Doch das Dorf ist voll, die Feldmark zu klein, für Geld
Und gute Worte nichts zu haben. Da ist mir schon der Gedanke