Full text: Die organische Eingliederung der Heimat- und Stammesgeschichte in die Reichsgeschichte

— 11 — 
Sie liegt vor dir mit ihren Hügeln und Thalfurchen, ihren 
weiten Fluren und freundlichen Ortschaften. 
Hat dies Antlitz immer dieselben Züge gehabt? 
Vor Zeiten war daselbst Urwald oder weites Sumpfgelände. 
jL Dann kamen unsere Vorfahren, siedelten sich an, rodeten die Wald- 
[xJv// bäume aus, legten die Sümpfe trocken und schufen die ersten An- 
Y^- • sänge ihrer Mark. Aus den Ansiedelungen wuchsen Ortschaften 
hervor, entstanden Städte; der Wald wich zurück; die Acker- und 
Wiesenflur dehnte sich aus, und durch die fortschreitende Knlti- 
XlL*. vierung des Bodens erhielt deine Heimat die charakteristischen Züge, 
dir von Jugend auf lieb und vertraut geworden. 
Hat nicht an dieser Entwickelung jede bewohnte Gegend unseres 
t+y+u - Vaterlandes teilgenommen? Und ist nicht diese Entwickelung ein 
Stück wertvoller Geschichte? — 
Wir leben in einem Rechtsstaate; Gesetze und Rechtsnormen 
regeln unser Thun und Treiben als Bürger des Staates und Mit¬ 
glieder der Gemeinde. Unsere Rechtseinrichtungen setzen eine lange 
Entwickelung voraus, stützen sich auf die rechtlichen Veranstaltungen 
und Anschauungen unserer Vorfahren; denn diese waren ein Rechtsvolk, 
das streng an hergebrachten Formen und Gebräuchen hing, wenn¬ 
gleich kein geschriebenes Gesetz dieselben bewahrte. Die Rechtsent¬ 
wickelung ist durch unser ganzes Volk gegangen, hat jede Gemeinde, 
jeden Einzelnen berührt und berührt ihn noch heute. Die einzelnen 
Entwickelungsstadien sind fast in jeder Gegend zu verfolgen. Hier 
und da hat sich der Name „Meinte" erhalten und erinnert an die 
frühere Allmende und Markgenossenschaft. Zur Aufrechterhaltung 
der Genossenschaftsordnung übten die Markgenossen selbst eine Art 
Polizeiaufsicht aus und richteten im Rügegerichte über Wald- und 
/> . Feldfrevel der verschiedensten Art. Die Gerichtsstätte war der 
„Thie", der sich in manchen Gegenden fast auf jedem Dorfe nach- 
A/ weisen läßt. Auch die Bewohner des Gaues bildeten eine Rechts- 
' j genofsenschaft; diese richtete über Verbrechen und hielt ihr Gericht 
ivt (wvvj au| jjer Mühlstätt. Ein Lindenbaum, ein Flurname oder die Er¬ 
innerung, die sich im Volksbewußtsein lebendig erhalten hat, lassen 
fast in jedem Gaue diese alte historische Stätte auffinden. Der in 
der Nähe liegende „Galgenberg" hilft in vielen Fällen bei der Be¬ 
stimmung derselben. Als sich die Rechtspflege in geschlossene Räume 
' zurückzog, entstand in der Gegend das Amthaus, das Gefängnis, 
und heute greifen die Amts- und Landgerichte nicht nur mit ihren 
Verhandlungen in die verschiedenen Gemeinden, sondern auch mit 
ihrer Besetzung durch Schöffen und Geschworene. Mancher 
Rechtsausspruch hat sich im Sprichwort, mancher Rechtsgebrauch 
in der Übung erhalten; sie Helsen die Rechtsentwickelung an¬ 
deuten und charakterisieren. So giebt jede Gegend nicht nur Aus- 
gangs- und Anknüpfungspunkte für die Geschichte der Rechtspflege,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.